«Es hilft nichts, betrunken zu sein»
Der Zürcher Strauhof widmet sich Rauschdichtern und Schreibbeamten.

«Meine Mutter fürchtete die Schlangen.» Über diesen Satz kam Wolfgang Koeppen lange nicht hinaus. Der Autor war berüchtigt für seine Schreibstaus, die ihn und seinen Verleger Unseld verzweifeln liessen. So, ex negativo, beginnt die Ausstellung «Schreibrausch» von Magnus Wieland und Andreas Schwab. Tatsächlich ist ihr Ansatz rauschübergreifend: Es geht den Kuratoren um die äusseren Bedingungen des Schreibens. Das richtige Zimmer (Friederike Mayröcker kanns nur in ihrem Chaos), die richtige Uhrzeit (manche Autoren sind echte nine-to-fiver), das richtige Material (Jack Kerouac hackte «On the road» in eine 40 Meter lange Papierrolle, hier faksimiliert und durch ein ganzes Zimmer gewellt).
Oder, ja: die Stimulanzien. Sozusagen die innere Entsprechung der Inspiration, die man sich seit der Antike als etwas Äusseres vorstellte – Musenkuss, «furor poeticus» – und die so mancher, wenn ihm nichts einfallen wollte, herbeizwingen wollte mit Alkohol, Rauchwaren oder Drogen. (Schiller, was in die Ausstellung auch gepasst hätte, nutzte die Ausdünstung fauler Äpfel.) Max Frisch dagegen wusste: «Es hilft nichts, betrunken zu sein», und Thomas Mann, selbst ein Mann, den die Muse zuverlässig zu Bürozeiten küsste, bemerkte, die meiste gute Literatur sei nicht wegen, sondern trotz Alkohol entstanden.
Die Ausstellung legt ihr Thema grosszügig aus und bietet von Plot-Skizzen bis zu Produktionsrekorden vieles, was mit dem Schreiben zu tun hat. Es gibt viel zu lesen, ein schönes Zitat neben dem anderen (etwa Baudelaire: «Die Inspiration ist entschieden die Schwester der täglichen Arbeit»), aber auch zu hören und zu betrachten: Entwürfe und Verworfenes, manisch randlos vollgeschriebene Seiten, LSD-Protokolle, zwei Pfeifen von Max Frisch und eine Magnum-Flasche, die Dürrenmatt «gebodigt» hat. Das Bemühen, etwas so Intimes wie den Schreibprozess sichtbar und öffentlich zu machen, ist spürbar und meistenteils geglückt. Auch der dramaturgische Bogen stimmt: Auf Koeppens Stolper-Stein folgt am Schluss der obsessive Satz des durchgeknallten Schriftstellers in Stephen Kings «Shining».
Bis 7. Mai, Reader zur Ausstellung, Begleitprogramm. www.strauhof.ch
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