Es ist kalt in Dortmund
«Marija» zeigt kleine Leute, die auf noch kleineren herumtrampeln. Ein Drama des Schweizer Regisseurs Michael Koch.

Es ist, mindestens in diesem Spielfilm des Schweizer Regisseurs Michael Koch, vom Leben keine Fairness zu erwarten. Es ist ein kräftefressendes Monster, und der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, und alles, worauf er hoffen kann, ist, dass die eigene Unanständigkeit, die er erkennt, sich wenigstens anständig lohnt, und dass unrecht Gut auch einmal gedeiht. Dann, denkt der Mensch, würde es schon wieder werden mit dem menschlichen Anstand. Aber er irrt sich natürlich. Was getan wurde, kann nicht zurückgenommen werden, auch wenn einige sich da etwas vormachen, bis sie es sich selber glauben; und so ein ethischer Irrgarten ist die Welt der jungen Ukrainerin Marija (Margarita Breitkreiz), die in Dortmund lebt.
Man muss sich eine schäbige Welt vorstellen und eine mit sehr dehnbaren Moralbegriffen. Die Mitleidlosen – und das heisst auch: die Selbstmitleidlosen – halten sie am besten aus. Marija hat diese Härte, und wenns sein muss, beispielsweise nach einer fristlosen Entlassung, bezahlt sie ihre Miete halt mit Sex. Vor allem jedoch: In einer Wirklichkeit, in der kleine Leute auf noch kleineren herumtrampeln, wird sie zur geübten Tramplerin. Freundlich, wenns möglich ist, ohne Rücksicht, wenn nötig, immer den Traum vom eigenen Coiffeursalon vor Augen, der ihr über alles geht, über Loyalität und Respekt und Selbstachtung, selbst über diesen verzweifelt charmanten Hasardeur Georg (Georg Friedrich), mit dem es so etwas hätte werden können wie Liebe. Und kurz gesagt: Michael Koch erzählt ganz lakonisch von einem Stück Lebensweg, auf dem eine Seele verödet, und es ist ihm etwas Erstaunliches gelungen: ein Film voll kaltherziger Traurigkeit. Er macht einen sozusagen gerührt frösteln.
«Marija» läuft im Kino Riffraff
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