«Es ist nicht strafbar, in seiner Wohnung einen Staat zu gründen»
Wie gefährlich sind die Schweizer Sympathisanten der Reichsbürger? Was können die Behörden gegen sie unternehmen? Dazu Extremismusexperte Samuel Althof.

Auch in der Schweiz gibt es Sympathisanten der sogenannten Reichsbürger, die den Rechtsstaat anzweifeln (wir berichteten). Handelt es sich nur um wenige Einzelpersonen?
Dass es Menschen gibt, die den Schweizer Staat nicht anerkennen, ist an sich kein neues Phänomen. Ich glaube auch nicht, dass es sich um eine grosse Gruppe handelt, sondern nur um Einzelne. Aber das sind Personen, die einen ganz klaren Realitätsverlust haben und deshalb nicht als harmlos betrachtet und unterschätzt werden dürfen.
Wie gefährlich sind solche Leute?
Sie können eine punktuelle Gefahr darstellen – gerade auch, weil es unter ihnen solche gibt, die Waffen sammeln. Ich glaube aber nicht, dass diese Reichsbürger-Sympathisanten bewaffnete Gruppen bilden könnten, beispielsweise im Stil der terroristischen Neonazi-Vereinigung Wehrsportgruppe Hoffmann, die in den 70er-Jahren in Deutschland aktiv war. Eine solche, auf kombative Ziele ausgerichtete Gruppe könnte eine strukturelle Gefahr für unsere Gesellschaft bedeuten.
Einem Einzelnen könnten die Sicherungen durchbrennen.
Man kann nicht ausschliessen, dass eine solche Person mal austickt. Bei jemanden, der unter einem solchen Realitätsverlust leidet, muss man mit allem rechnen. Wenn diese Person dann auch noch Waffen zu Hause hat, wird es ungemütlich. Reichsbürger reagieren dann aggressiv, wenn der Staat ihnen «zu nahe» kommt, also das Gesetz durchsetzen will. Denkbar ist auch, dass sich bestimmte Neonazi-Gruppierungen punktuell mit einem Teil dieser Reichsbürger zusammentun.
Handelt es sich bei diesen Personen nicht ohnehin um Rechtsextreme?
Reichsbürger und ihre Sympathisanten sind ganz bestimmt rechtsextrem. Aber sie passen nicht ins Bild, das wir von Rechtsextremen haben. Deshalb kommen wir ins Schlingern, wenn wir sie einordnen wollen. Bei ihnen spielen Verschwörungstheorien eine grössere Rolle als bei den klassischen Rechtsextremen. Diese haben zwar auch etwas Sektiererisches, aber nicht im selben Ausmass. Zudem wollen klassische Rechtsextreme Schweizer Patrioten sein, die Reichsbürger hingegen lehnen die Schweiz als Staat ab und bauen sich ihre eigene Insel innerhalb des Systems.
Haben die Behörden das Problem auf dem Radar?
Ich glaube nicht, dass man diese Personen in der Schweiz wirklich auf dem Schirm hat. Sie versuchen am Staat vorbeizuleben und fallen in der Regel nicht auf. Es handelt sich teilweise um ganz normal situierte Menschen wie beispielsweise einen mir bekannten Basler Frauenarzt, der mit obskuren Theorien über Brustkrebs auffiel. Erst dann, wenn diese Personen in der Öffentlichkeit auftreten oder wenn der Staat etwas von ihnen will, etwa in Form von Steuern oder einer Busse, kommt es zum Konflikt, weil sie die Behörden und die Gesetze nicht anerkennen. Reichsbürger versuchen den Staat mit allerlei Rechtsverfahren gegen ihn ad absurdum zu führen.
Was kann der Staat dagegen unternehmen?
Nichts, solange kein Rechtsverstoss vorliegt. Es ist nicht strafbar, Waffen zu sammeln oder in seiner eigenen Wohnung einen Privatstaat zu gründen. Auch die Verbreitung von Verschwörungstheorien ist nicht verboten. Erst wenn jemand aktiv versucht parallele Staatsstrukturen aufzubauen oder in einer anderen Weise gegen das Gesetz verstösst, können die Behörden einschreiten.
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