«Es wurde viel Goodwill zerstört»
Der Schweizerische Arbeitgeberverband feiert heute in Bern sein 100-jähriges Jubiläum. Verbandspräsident Rudolf Stämpfli kritisiert die «vollkommen überrissene Sucht nach hohen Eigenkapitalrenditen», die zur Finanzkrise geführt hat.

Für die Feier des 100-Jahr-Jubiläums des Verbandes hätten Sie sich wohl ein besseres Umfeld gewünscht?Rudolf Stämpfli:?Man kann sich die Zeit, in welche ein solches Jubiläum fällt, nicht aussuchen. Ein Jubiläum ist auch ein Zeitpunkt, um eine Standortbestimmung vorzunehmen. Deshalb macht es nichts, wenn man diese in einer Zeit vornimmt, in der Unsicherheit herrscht. Die Zeit, als der Arbeitgeberverband gegründet wurde, war auch eine unsichere Periode. Es war die Epoche vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Unser Jubiläum ist eine gute Gelegenheit, um sich darüber klar zu werden, was gegeben ist und was nicht.
Ärgert es Sie, dass Masslosigkeit und Gier von Bankern diese Krise ausgelöst haben? Mit Ärger allein hat man keine Lösung des Problems gefunden. Jetzt muss man nach vorne schauen und darüber nachdenken, wie man solche Situationen inskünftig vermeiden kann.
Was ist die Hauptursache der Bankenkrise: die Managerlöhne? Es waren nicht die Managerlöhne alleine. Die Bonussysteme im Finanzwesen sind sicherlich eine der Hauptursachen. Sie boten Anreize, Entscheide zu treffen, die nicht im langfristigen Interesse einer Firma lagen, und haben zu einem sehr spekulativen Verhalten mit den entsprechenden Risiken geführt. Ein weiterer wichtiger Faktor war eine vollkommen überrissene Sucht nach hohen Eigenkapitalrenditen. Es war das Drängen des Börsenapparats darauf, dass die Unternehmen immer bessere Zahlen ausweisen müssen. Sollen die ehemaligen UBS-Manager einen Teil der erhaltenen Boni zurückzahlen? Juristisch betrachtet ist es nicht möglich, Boni verbindlich zurückzufordern. Deshalb beurteile ich die Erfolgsaussichten einer solchen Forderung als gering. Aber ich würde es als positives Zeichen betrachten, wenn die ehemaligen und aktuellen UBS-Manager einen Teil der Boni zurückbezahlen würden. Denn es kann einem ehemaligen Spitzenmanager der Bank nicht gleichgültig sein, wie es seiner Firma heute geht.
Wäre die Abschaffung der Boni nicht die beste Lösung? Jedes Bonussystem sollte sich an den langfristigen Zielen eines Unternehmens orientieren und nicht an kurzfristigen Gewinnen. Es muss also möglich sein, dass jemand auch am Misserfolg beteiligt ist. Wenn es gelingt, ein solches Bonussystem auszuarbeiten, kann dieses sehr viel Gutes in einer Firma bewirken.
Novartis-Chef Daniel Vasella hat die neu aufgeflammte Diskussion um Managerlöhne als populistisch bezeichnet. Ich finde die Diskussion überhaupt nicht populistisch. Es ist normal, wenn sich in der Bevölkerung ein Gefühl entwickelt, was man als gerecht und was als ungerecht empfindet. Die Kritik an solchen Löhnen ist ein Empfinden, das offensichtlich in einer breiten Schicht vorhanden ist. Wenn sich jemand in diese Sphären begibt und ein Gehalt von 20 bis 30 Millionen im Jahr bezieht, dann muss er sich dieser Kritik stellen. Populistisch wäre es, wenn man dann beginnen würde, aus dieser Stimmung heraus Gesetze auszuarbeiten.
Wo ist Ihre Schmerzgrenze bezüglich der Managerlöhne? Ich kann Ihnen keine Zahl nennen. Es ist sicherlich ein Unterschied, ob jemand die Stämpfli AG leitet oder Novartis. Das wird sich im Lohn zwangsläufig abbilden. Aber es ist für mich eine andere Frage, ob die Löhne tatsächlich im Bereich von zweistelligen Millionenbeträgen liegen müssen. Für mich sind das Gleichgewicht und das Mass sehr wichtig. Jeder muss für sich eine Grenze sehen.
Aber es gibt wohl keinen Manager, der sich selbst beschränkt. Ich glaube schon, dass es Geschäftsleitungen gibt, die sich beschränken.
Was soll der Staat tun, um solche Krisen künftig zu verhindern? Ich halte nichts davon, dass der Gesetzgeber Höchstlöhne festlegt. Es ist nicht die Aufgabe eines staatlichen Apparats, die Höhe von Löhnen festzulegen. Es muss jede Firma selbst entscheiden, ob sie ihre Mitarbeiter vor allem über finanzielle Anreize motivieren will. Denn es stellt sich die Frage, ob die Aufgabe an und für sich nicht Motivation genug ist, damit jemand sein Bestes gibt.
Wenn Sie aber keine Höchstgrenzen festlegen, wird die Party in den Banken in ein paar Jahren von neuem losgehen. Und der Staat kann dann wieder rettend eingreifen. Der Bankensektor ist ein besonderer Bereich. Weil hier – wie wir sahen – im schlimmsten Fall Risiken auf den Staat fallen, muss der Staat diese Risiken auch mit geeigneten Vorschriften begrenzen. Dies ist unter Berücksichtigung der internationalen Konkurrenzfähigkeit speziell im Bankenrecht zu regeln.
Ein anderer Vorschlag besagt, dass die Aktionäre die Möglichkeit erhalten sollen, über die Löhne von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung abzustimmen. Ich würde es gut finden, wenn die Aktionäre ein echtes Wort mitreden könnten, wenn es um das Lohnsystem und die Entlöhnung des Verwaltungsrats geht. Die Ausgestaltung der Entlöhnung der Geschäftsleitung halte ich indes für eine operative Aufgabe, die dem Verwaltungsrat zusteht. Wenn den Aktionären dieses Lohnsystem nicht passt, müssen sie über den Verwaltungsrat Einfluss nehmen oder ihn auswechseln.
Politisch wird die Abzocker-Initiative aufs Tapet kommen. Die Initiative von Thomas Minder geht mit ihren Forderungen zu weit. Ich befürchte aber, dass diese Initiative durch die aktuelle Krise Aufwind erhält.
Und gute Chancen auf ein Ja hat? Wenn heute darüber abgestimmt würde, dann hätte diese Initiative wohl grosse Chancen.
Die Tatsache, dass diese Initiative so gut ankommt, zeigt, wie schlecht das Image der Manager in der Öffentlichkeit ist. Da muss ich Ihnen leider Recht geben. Gewisse Praktiken von Unternehmen standen in der Kritik. Damit ist viel Goodwill zerstört worden. Aber ich muss immer daran erinnern, dass es nur ein kleiner Zirkel war, der Fehler gemacht hat. Der Grossteil der Manager und Firmenchefs leistet tadellose Arbeit.
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