EU beschliesst Roaming-Aus und Netzneutralität
Roaminggebühren sind innerhalb der EU ab Mitte 2017 Geschichte. Zudem soll sich niemand den Vortritt im Internet erkaufen können. Doch genau das befürchten Kritiker nun.

Handybenutzer sollen ab Sommer 2017 in der gesamten EU grundsätzlich ohne zusätzliche Roaminggebühren telefonieren, SMS senden oder im Internet surfen können. Ausserdem soll erstmals in der EU die sogenannte Netzneutralität gesetzlich verankert werden – also die Gleichbehandlung von Datentransfers durch die Anbieter von Internetzugangsdiensten. Eine entsprechende Verordnung hat das Europaparlament heute verabschiedet.
Die EU-Volksvertretung stimmte damit einem Kompromiss zu, auf den sich ihre Unterhändler vorab mit Vertretern der 28 Mitgliedsländer geeinigt hatten. Die Neuregelung werde für Handynutzer «Grenzen innerhalb der EU abschaffen», betonte die Berichterstatterin des Parlaments, die spanische Christdemokratin Vera del Castillo. Zunächst würden Roaminggebühren ab dem 30. April kommenden Jahres «dramatisch reduziert», erläuterte der Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip. Die Abschaffung der Roaminggebühren sei dann im Juni 2017 geplant. Ausserdem werde erstmals eine EU-einheitliche Regelung für die Netzneutralität eingeführt.
«Fair use»-Klausel – nicht für die Schweiz
Die Roamingaufschläge für die Handynutzung im EU-Ausland sollen ab dem 30. April 2016 erneut gedeckelt werden: Die Gebühren dürfen ab diesem Datum für Gespräche 0,05 Euro pro Minute und 0,02 Euro pro SMS nicht mehr überschreiten. Bei Internetnutzung liegt die Höchstgrenze bei 0,05 Euro pro Megabyte.
Ab dem 15. Juni 2017 sollen diese Aufschläge dann grundsätzlich ganz wegfallen. Der Kompromiss enthält allerdings «Sicherungen» für die Telecomfirmen, denen durch das Roaming Mehrkosten entstehen. Eine «fair use»-Klausel sieht vor, dass die Befreiung von Roaminggebühren nur für eine «angemessene Nutzung» des Handys im Ausland gilt. Anbieter können beispielsweise bestimmte Obergrenzen für die Dauer von Telefonaten und die Zahl der versandten SMS festsetzen.
Für die Schweiz gilt diese neue Regelung nicht. Zuletzt hatte der Ständerat im März zwei Motionen abgelehnt, mit welchen der Nationalrat die Tarife für die Handynutzung im Ausland deckeln wollte. Schweizer Konsumenten können somit nur auf die nächste Gesetzesrevision hoffen. Diese kommt voraussichtlich 2016 auf den Tisch.
Netzneutralität – mit Ausnahmen
Die gesetzlich verankerte Netzneutralität soll dafür sorgen, dass der gesamte Internetverkehr ohne Diskriminierung, Störung oder Einschränkung abgewickelt wird, unabhängig von Sendern und Empfängern. Ausnahmen sind nur bei gerichtlichen Anordnungen, etwa zur Sperrung bestimmter Dienste, oder zur Vorbeugung von Cyberangriffen möglich.
Ausserdem müssen Anbieter von Internetdiensten den Nutzern vor Unterzeichnung eines Vertrages «klar und verständlich» erläutern, wie hoch die tatsächlich zu erwartenden Download- und Uploadgeschwindigkeiten sind. Bei erheblichen Abweichungen von diesen Zusagen soll der Kunde das Recht haben, einen Vertrag vorzeitig zu kündigen oder eine Entschädigung zu verlangen.
Kritik an schwammigen Formulierungen
Zur Netzneutralität stellt die neue EU-Verordnung klar: Niemand soll sich seine Vorfahrt im Internet erkaufen dürfen. Kritiker fürchten aber eine Einschränkung der Netzneutralität durch schwammige Formulierungen. So erlaubt die Verordnung bestimmte «Spezialdienste», die im Netz bevorzugt werden dürfen.
Internetanbieter dürfen künftig auch zwischen Kategorien von Datenverkehr unterscheiden, «um die Gesamtqualität und das Nutzererlebnis zu optimieren». Der zuständige Kommissar Günther Oettinger sagte jedoch, unter die «Spezialdienste» würden nur Gesundheits-, Notruf- und Mobilitätsdienste fallen. Die Präzisierung der Dienste fehlt jedoch im Gesetzestext.
«Dass Internetprovider jetzt die Möglichkeit bekommen, einen bestimmten Datenverkehr auf ihren Leitungen zu drosseln und einen anderen zu bevorzugen, schafft nicht nur ein 2-Klassen-Internet, sondern nimmt auch die Anreize, Leitungskapazitäten weiter auszubauen», beklagte die Piraten-EU-Abgeordnete Julia Reda.
AFP/dia
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