EU hilft Athen bei Steuerabkommen mit der Schweiz
Die griechischen Steuerämter sind notorisch ineffizient. Das soll sich ändern. Die Griechenland-Taskforce der EU erhofft sich wichtige Impulse von einem Steuerabkommen mit der Schweiz.

60 Milliarden Euro ausstehende Steuern, unwillige und unfähige Finanzbeamte, und das bedeutendste Infrastrukturprojekt vor dem Aus: Die «Griechenland-Taskforce» der EU hat drei Monate nach dem Beginn ihrer Mission am Donnerstag einen ersten Bericht vorgestellt. Und die Probleme, die das 30-köpfige Team identifiziert hat, sind gewaltig. Dennoch hofft der deutsche Taskforce-Chef Horst Reichenbach die griechische Verwaltung und Wirtschaft in zwei bis drei Jahren auf Vordermann gebracht zu haben und wieder abziehen zu können.
Zu den obersten Prioritäten der Herkules-Mission gehört das Eintreiben von Steuern. Laut Taskforce-Bericht sind die Bürger ihrem Staat 60 Milliarden Euro schuldig. Aber nur acht Milliarden Euro davon könnten theoretisch rasch ins Staatssäckel fliessen und so die Schuldenlast drücken. 30 Milliarden Euro versucht die Verwaltung schon in Prozessen einzutreiben, die sich oft über Jahrzehnte hinziehen.
Liegt es an der mangelnden Kompetenz der Finanzbeamten, oder an ihrem fehlenden Willen? «Ich glaube, es ist beides», sagte Reichenbach in Brüssel. Die Schulung des Personals steht deswegen ganz oben auf der Agenda. Zudem will Reichenbach auch dafür sorgen, dass die Verfahren gegen Steuerschwindler beschleunigt werden. Eine Wurzel des Problems ist, dass rund die Hälfte der griechischen Beschäftigten selbstständig sind - und deren Steuerschuld bislang kaum zu ermittlen war. Auch daran wird gearbeitet.
Enorme Beträge in die Schweiz geschafft
Milliardensummen entgehen dem Staat aber auch durch Steuerflucht. «Enorme Beträge» seien insbesondere in die Schweiz abgezogen worden, heisst es im Bericht. Zumindest einen Teil des Geldes will sich Athen mit einem bilateralen Steuerabkommen zurückholen. Erste Gespräche zwischen den Staaten hätten stattgefunden, bald würden die Verhandlungen beginnen, sagt Reichenbach. Die Taskforce und Experten aus EU-Ländern sollen den Hellenen helfen, gegenüber den Eidgenossen «einen möglichst guten Deal» herauszuschlagen, der auch die EU-Regeln einhält.
Die Staatseinnahmen zu steigern ist der eine Schwerpunkt der Reichenbach-Mission, die Wirtschaft anzukurbeln der zweite. In diesem Jahr bricht die Konjunktur um 5,5 Prozent ein, für nächstes Jahr hat die EU minus 2,8 Prozent prognostiziert. Brüssel hat eine Art Mini-Marshallplan aufgelegt, um neben der technischen Hilfe der Taskforce Konjunkturprojekte zu finanzieren. Die Kofinanzierungsquote für die Strukturmittel wurde schon auf 15 Prozent gesenkt. Noch immer gelingt es Athen aber nicht, die zur Verfügung stehenden Milliarden auch sinnvoll abzurufen, im ersten Halbjahr wurde nur die Hälfte tatsächlich eingesetzt.
Und ausgerechnet das wichtigste Infrastrukturprogramm steht auf der Kippe: Fünf neue Autobahnen sind geplant, 1400 Kilometer Strecke. Die Mammutprojekte im Investitionsvolumen von 8,7 Milliarden Euro sollen Zehntausende Jobs bringen und 1,5 bis 2 Prozent BIP-Wachstum generieren. In der Theorie.
Hoffnungsschimmer Helios
In der Praxis sind vier der fünf Projekte gestoppt. Weil die Finanzierung nicht steht. Und weil die Planer das Verkehrsaufkommen viel zu optimistisch eingeschätzt haben. Jetzt sind neue Genehmigungsverfahren nötig, und die Finanzierung muss gerettet werden, mit 1,4 Milliarden Euro von der EU. «Ein Berg an Problemen muss überwunden werden, damit die Arbeit wieder aufgenommen werden kann», sagt Reichenbach.
Hoffnung setzt er in das Solarstromprojekt Helios: Durch riesige Fotovoltaikanlagen in dem sonnenverwöhnten Land soll die Stromproduktion bis 2020 auf 2,2 Gigawatt gesteigert werden - und die grüne Energie in Nordländer exportiert werden. Nach Einschätzung des Taskforce-Chefs wäre das «eine sehr gute Möglichkeit für die Hellenen, Fortschritte zu machen».
Das Problem: Die Länder ohne Dauersonne, wie Deutschland, müssten den Griechen den Sonnenstrom auch abkaufen. Ob das aufgeht ist fraglich, schliesslich wird - vor allem unter deutscher Führung - parallel an dem Wüstenstromprojekt Desertec gearbeitet, bei dem sich Europa saubere Energie aus Nordafrika besorgen will. «Bevor wir an Desertec denken, sollten wir zunächst mal auf Helios schauen», meint Reichenbach.
Eine Bestandesaufnahme
Angesichts der vielen Baustellen und enormen Rückstände der griechischen Verwaltung und Wirtschaft war sein erster Quartalsbericht vor allem eine Bestandsaufnahme. Der noch grobe Arbeitsplan soll in den kommenden Wochen zu einem detaillierten Fahrplan für das auf zwei Jahre angelegte Unterstützungsprogramm werden. Dabei wird Reichenbach auch mit der neuen Regierung von Ministerpräsident Lucas Papademos zusammenarbeiten können, nachdem das politische Chaos der vergangenen Wochen überwunden ist.
dapd/rub
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