Zoff mit Polen und UngarnEU-Parlament verklagt von der Leyens Kommission
Das Parlament moniert, dass die EU-Kommission zu wenig konsequent gegen Mitgliedsländer wie Polen und Ungarn vorgehe. Jetzt wird diese vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt.

Das Europaparlament verklagt die EU-Kommission von Ursula von der Leyen vor dem Europäischen Gerichtshof, weil sie eine neue Regelung zur Ahndung von Rechtsstaatsverstössen in EU-Staaten bislang nicht angewendet hat. Präsident David Sassoli wies den juristischen Dienst des Parlaments am Freitag an, die Klage beim Gerichtshof in Luxemburg einzureichen. Es ist ein bislang äusserst seltener Vorgang: Bislang hat das Parlament die EU-Kommission nur ein einziges Mal vor dem EuGH verklagt.
Bei der aktuellen Klage geht es um den EU-Rechtsstaatsmechanismus, der seit Anfang des Jahres in Kraft ist. Er sieht vor, dass EU-Ländern Mittel aus dem gemeinsamen Haushalt gekürzt werden können, wenn ein Missbrauch des Geldes wegen Rechtsstaatsverstössen droht.
Ungarn und Polen befürchten, dass das neue Verfahren vor allem gegen sie eingesetzt werden soll. Sie haben deshalb Klage gegen die Verordnung beim EuGH eingereicht – das Verfahren läuft noch.
Die EU-Kommission wollte den Mechanismus eigentlich erst auslösen, wenn der EuGH über die Klagen von Ungarn und Polen entschieden hat. So sieht es auch eine Einigung der Staats- und Regierungschefs vor – an der war das Parlament jedoch nicht beteiligt. Mit diesem Kompromiss waren die Regierungen in Budapest und Warschau 2020 dazu gebracht worden, ihre Blockade wichtiger EU-Haushaltsentscheidungen aufzugeben.
Die Abgeordneten werfen von der Leyen und ihrer Behörde nun vor, das Geld aus dem EU-Haushalt nicht entschlossen genug gegen Korruption oder Betrug zu schützen. Im Fokus: mal wieder Polen und Ungarn.
Seit Jahren Streit mit Warschau und Budapest
Mit beiden Ländern gibt es seit Jahren Streit, weil sie sich ausweislich etlicher Gerichtsurteile nicht an EU-Recht halten. Es sind auch die einzigen Länder, gegen die wegen möglicher Verstösse gegen die EU-Grundwerte Artikel-7-Verfahren laufen. Der Streit mit Polen war nach einem Urteil des Verfassungsgerichts in Warschau zuletzt eskaliert. Das Gericht hatte entschieden, dass wesentliche Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Die EU-Kommission betont hingegen immer wieder: EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht.
Zugleich will sie die Abmachung der Staats- und Regierungschefs nicht unterlaufen. Man wolle den Richterspruch zur Klage von Ungarn und Polen gegen den Rechtsstaatsmechanismus abwarten und mögliche Konsequenzen berücksichtigen, sagte die CDU-Politikerin wenige Tage später nach einem EU-Gipfel. Was jedoch schon vorher möglich sei: Briefe an EU-Staaten zu schreiben und Informationen einzuholen. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, auf die EuGH-Entscheidung zu warten.
Läuft der Druck des Parlaments ins Leere?
Der Druck des Parlaments scheint also ins Leere zu laufen. Schon seit Monaten versuchen die Abgeordneten, die EU-Kommission zum Handeln zu drängen. Im Juni beschloss das Parlament, das Verfahren für die Untätigkeitsklage zu beginnen. Mitte Oktober stimmte der zuständige Rechtsausschuss dann dafür, die Klage tatsächlich einzureichen.
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