Europa erhöht den Druck auf China
Der Empfang für Chinas Premier am Gipfel in Brüssel wird kühl ausfallen: Die Europäer haben erkannt, dass «Wandel durch Handel» nicht funktioniert.

Seit Wochen schlachtet Chinas Staatspresse die Reise von Präsident Xi Jinping nach Europa aus: Ihm seien wichtige Erfolge gelungen für den freien Handel, Chinas internationales Ansehen und den Weltfrieden. Tatsächlich lieferten die Italiener die Bilder für Xis Propagandashow, als sie sich zu einer engeren Kooperation mit China verpflichteten.
Wenn Premier Li Keqiang morgen für den EU-China-Gipfel nach Brüssel reist, dürfte der Empfang deutlich kühler ausfallen. Denn im März hat die EU-Kommission ein Papier veröffentlicht, um in Zukunft geschlossener gegenüber dem östlichen Partner aufzutreten. Nachdem die USA letztes Jahr die Beziehungen zu einem «Wettbewerb der Systeme» erklärten, spricht Brüssel nun von einem «systemischen Rivalen».
Den notwendigen Mut für die neue Politik hat sich Brüssel in den vergangenen Monaten angespart. Auch wenn die USA zu keinem gemeinsamen Kurs gegenüber China bereit sind, hat der Handelskrieg eins gezeigt: Wandel durch Handel ist gescheitert. Rücksicht hat weder die USA noch die EU weitergebracht. Druck hingegen schon. Für Paul Haenle von der Denkfabrik Carnegie-Tsinghua Center in Peking kommt die neue Härte der EU wenig überraschend: «Ausser seine eigenen Interessen kennt Peking nichts», sagt Haenle.
Noch unersetzlich
Dass die Italiener sich beim Europabesuch von Xi für vage Versprechen zum Fotosujet Pekings degradieren liessen, ist für die EU peinlich. Das ändert aber nichts am Willen der Kommission, unfaire Geschäftspraktiken, den Diebstahl europäischer Technologie und das Auseinanderdividieren der europäischen Einheit zu stoppen. Gerade wenn es um den Zugang zu Spitzentechnologie geht, ist die EU für China immer noch unersetzlich.
In Brüssel fürchten viele, dass Europa bald diesen letzten Trumpf verspielt, wenn es sich nicht wehrt. Bis 2020 wollen die EU und China ein Investitionsabkommen mit neuen Spielregeln abschliessen. «So kann das nicht gehen», sagte der EU-Kommissionspräsident Anfang April.
Der europäische Kurswechsel erwischt Peking zu einem schlechten Zeitpunkt. Die chinesische Regierung kämpft mit den Folgen des Handelsstreits mit Washington. Eine zweite Front kann sie sich nicht leisten.
In der «Vertrauenskrise»
Wie hoch der Druck auf Präsident Xi ist, liess sich in den vergangenen Tagen in einigen Staatszeitungen nachlesen. Sie druckten eine Rede von Xi nach, die er 2013 vor Funktionären gehalten hatte. Darin argumentierte er, dass das Festhalten am Sozialismus und der Partei einziger Garant für Chinas Erfolg sein könne: «Unser System wird reifen, die Überlegenheit des Sozialismus wird offenkundiger werden.» Die Funktionäre sollten nicht wegen Schwierigkeiten zweifeln, sondern «Risiken und Herausforderungen ertragen und der Erosion durch dekadente Ideologien widerstehen».
Die Botschaft ist klar: Schon 2013 hat Präsident Xi, der Visionär, die schwierigen Zeiten vorausgesehen und das Land darauf eingeschworen. Alles unter Kontrolle also. Doch die zunehmend schwierige wirtschaftliche Lage kann Peking nicht wegzensieren. Willy Lam von der Chinesischen Universität in Hongkong spricht von einer «Vertrauenskrise» gegenüber dem Kurs Xis. Dass Trump den Handelskonflikt auf offener Weltbühne austrägt, ist für die Regierung doppelt unangenehm. Peking pflegt Unangenehmes eher hinter verschlossenen Türen zu besprechen.
Um Kritiker im In- und Ausland zu beschwichtigen, die sich an dem aggressiven Kurs des Landes stören, hat Xi bereits seine Strategie «Made in China 2025» zurückgenommen, zumindest öffentlich. Mit einer Mischung aus Industriepolitik und Protektionismus erklärt Peking darin, wie es den anderen Industriestaaten in Zukunft den Rang ablaufen will. Nun dürfen Offizielle nicht mehr über die Initiative sprechen.
Der Widerstand wächst
Auch bei seiner Seidenstrasse-Initiative bemüht sich Xi um rhetorische Abrüstung. Ende des Monats lädt China zu einem Seidenstrassengipfel. Aktuell soll es an Richtlinien arbeiten, die Firmen daran hindern sollen, Projekte als Teil der Initiative zu verkaufen, ohne dass sie tatsächlich eine Verbindung haben. Damit will die Regierung vermeiden, dass die umstrittene Initiative weiter in Verruf gerät. Brüssel kritisiert die unklaren Rahmenbedingungen der Deals und die fehlenden Möglichkeiten für nichtchinesische Firmen, von den Projekten zu profitieren.
Auch in anderen Regionen der Welt wächst der Widerstand. In Malaysia verhandelt die Regierung ein Eisenbahnprojekt in Höhe von 20 Milliarden Dollar neu. In Burma steht ein Hafenprojekt auf der Kippe. Auf den Malediven hat die Bevölkerung die prochinesische Regierung aus dem Amt gewählt.
Im August versprach Xi bereits einen «offenen und inklusiven Prozess anstatt eines exklusiven Blocks oder China-Clubs». 2017 hatte er sich beim ersten Seidenstrassengipfel geweigert, auf die Forderungen der EU einzugehen. Die europäischen Vertreter waren daraufhin vorzeitig abgereist. Auch Ministerpräsident Li dürfte morgen leisere Töne anschlagen. Dass Peking die Initiative ähnlich wie seine Industriepolitik zumindest öffentlich zurücknimmt, scheint unwahrscheinlich. Sie gilt als Xis aussenpolitisches Meisterstück.
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