Branchenärger QuarantäneregelnExperten dämpfen Hoffnungen für den Reisesommer
Ferien an südlichen Stränden und Touren in Europa werden zwar möglich sein. Einen Buchungsboom erwartet die Schweizer Reisebranche aber nicht. Bereits denkt man an die Wintersaison.

Schleppendes Impftempo, unübersichtliche Quarantäneregelungen, verunsicherte Konsumenten: Topmanager aus der Schweizer Reisebranche erwarten keinen guten Sommer. «Natürlich werden für die Sommerferien Buchungen hereinkommen, aber ich bin nicht sicher, dass Europa schon komplett bereisbar sein wird», sagt Dieter Zümpel, CEO von DER Touristik Suisse (Kuoni/Helvetictours). «Etwas besser laufen könnte es dann im Winter.»
An einem Expertentalk in Baden-Rütihof, organisiert vom Veranstalter der virtuellen Ferienmesse «Land in Sicht» (22. bis 25. April), macht Zümpel seinem Unmut Luft über das «Fehlen verlässlicher Rahmenbedingungen», welches das Reisegeschäft stark behindert.
Zümpel zielt dabei vor allem auf die Quarantänebestimmungen, die das BAG nach Ansicht der Branche recht willkürlich verhängt. Zümpel nennt ein Beispiel: Die BAG-Beamten setzten einige Tage vor dem Osterwochenende die Malediven überraschend auf die Liste der Risikoländer – eine Destination, die bis dahin ohne grössere Restriktionen bereisbar und gut gebucht gewesen war.
«Wir mussten für Millionen Franken Umbuchungen und Annullationen vornehmen», so Zümpel. «Dabei gabs auf den Resortinseln keine erhöhten Inzidenzwerte, nur auf der Hauptinsel Malé, die für den Tourismus unerheblich ist, stiegen die Fallzahlen.» Zümpel hätte sich von Bern nicht nur in dieser Angelegenheit etwas mehr Sensibilität im Urteil erhofft.

Deniz Ugur, Chef des Türkei-Spezialisten Bentour Reisen, sagt, die Reisebranche habe sich dem medizinischen Notfall gestellt, nun sei es Zeit, Quarantänebestimmungen für getestete Rückreisende aufzuheben. «Eigentlich ist die ganze Welt heute Risikogebiet. Unterscheidungen machen keinen Sinn.»
Hoffnungen dank Impfungen
Aber Ugur verbreitet auch Optimismus: «Die Impfungen geben Hoffnungen. Das Reisen wird wieder uneingeschränkter möglich sein. Bis wir die Umsätze von früher erzielen, wird es aber mindestens bis 2023 dauern.»
Die Branche steckt in einem Zwiespalt. «Viele unserer älteren Kunden rufen an und teilen mit, sie seien geimpft, sie möchten gerne reisen», erzählt Karim Twerenbold, der junge Patron der auf Busreisen und Flusskreuzfahrten spezialisierten Twerenbold-Reisen-Gruppe. «Wir haben zwar viel in Hygiene- und Schutzkonzepte auf der Strasse und auf dem Wasser investiert, aber die Bestimmungen in den einzelnen Ländern entscheiden, ob und wann wir wieder loslegen können.»
Twerenbold wünscht sich eine schnelle Harmonisierung der Regularien: «Aus Südeuropa kommt grosser Druck, den Tourismus wieder hochzufahren, die nordischen Länder und Deutschland dagegen geben sich sehr verhalten.»
Ändert sich Konsumentenverhalten?
Auch wenn Reisen im Sommer zu einem gewissen Mass wieder möglich sein könnten, erwarten die Veranstalter eine sehr ungewöhnliche Saison. «Buchungen kommen extrem kurzfristig. Das stellt riesige Anforderungen an Kapazitätsmanagement und Flexibilität der Fluggesellschaften und Destinationen», konstatiert Dieter Zümpel. Ob das erste Corona-Jahr mit spärlichen Auslandsreisen das Verhalten der Konsumenten veränderte, wird sich weisen.
«Wir werden, wenn die grosse Krise überstanden ist, vermehrt nachhaltige Reisen anbieten», sagt Zümpel. «Die Frage ist nur, ob der Kunde dafür bezahlt.» Und Deniz Ugur glaubt nicht, dass das letzte Stündchen für den geschmähten Massentourismus geschlagen hat: «Wenn wir Flugzeuge und Hotels gut auslasten, so schont das Ressourcen. Und ausserdem können sich längst nicht alle Familien teure Ferien an einsamen Orten leisten. Sie sind angewiesen auf bezahlbare Angebote und grosse Hotels.»
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