Fake-News-Vorwurf zum Vollgeld
Verbreiten SNB und Bundesrat bei der Vollgeldinitiative Falschinformationen? Das Bundesgericht ist aktiv geworden.
Michael Derrer lässt nicht locker. Der Unterstützer der Vollgeldinitiative hat seine im Kanton Aargau eingereichte Abstimmungsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen. Er wirft dem Bundesrat, der Schweizerischen Nationalbank und den kantonalen Finanzdirektoren vor, die Informationspflicht verletzt zu haben. «Die Behörden stellen die Vollgeldinitiative massiv verzerrt dar und lassen wichtige Elemente weg», sagt Derrer. Raffael Wüthrich, Pressesprecher der Initianten, spricht von einer «bewussten Desinformation». Ziel der Behörden sei es, im Volk vor der Abstimmung vom 10. Juni Verunsicherung zu schüren.
Das Bundesgericht hat bereits reagiert. Es hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) und den Bundesrat dazu aufgefordert, zu den Vorwürfen der Abstimmungsbeschwerde Stellung zu nehmen. Nach zuverlässigen Informationen von Redaktion Tamedia läuft die Frist bereits am nächsten Mittwoch ab. Die SNB und die Bundeskanzlei, die seitens der Bundesverwaltung für die Abstimmungsinformationen zuständig ist, haben also nur noch wenige Tage Zeit, um zu beweisen, dass sie bei ihrer Information zur Vollgeldinitiative die Grundsätze der Sachlichkeit, der Transparenz und der Vollständigkeit ausreichend beachtet haben.
Konkret nehmen die Vollgeldunterstützer etwa Anstoss an einer Darstellung der Geldschöpfung im Abstimmungsbüchlein des Bundes, das an alle Stimmberechtigten verschickt wird. In der Broschüre heisst es, Banken könnten Kredite unter anderem vergeben, indem sie dafür «das Geld benutzen, das Kundinnen und Kunden auf ihr Konto einbezahlt haben».
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Video: In Kürze gelernt, was Vollgeld will
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Manche Experten sehen darin eine falsche oder zumindest problematische Darstellung des Kreditprozesses. So schreibt der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring, die vom Bundesrat beschriebene Art der Kreditgewährung «gibt es nicht».
Zentrales Argument entkräftet
Die Bank könne keine Einlagen von Kunden auf das Konto eines Kreditnehmers überweisen, sondern sie werde immer ein neues Guthaben einrichten. Für die Vollgeldinitianten relativiert der Text im Abstimmungsbüchlein die Bedeutung der Geldschöpfung durch private Banken. Auf unzulässige Weise werde eines der zentralen Argumente für die Initiative entkräftet, so Vollgeldsprecher Raffael Wüthrich.
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Volles Geld, leeres Versprechen

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Geht es nach den Initianten hat auch Nationalbankpräsident Thomas Jordan gegen das Prinzip der Vollständigkeit verstossen. Bei öffentlichen Auftritten habe er wichtige Aspekte der Initiative unterschlagen und die Auswirkung des Volksbegehrens dadurch verändert, sagt Reinhold Harringer vom Initiativkomitee. So habe eine Rede Jordans Anfang Mai den Eindruck erweckt, die Vollgeldinitiative verlange, dass die Nationalbank künftig alles Geld sogenannt «schuldfrei» in Umlauf bringe und keine Darlehen an Privatbanken mehr gewähre. Die Folge wäre eine starke Einschränkung der Instrumente der Nationalbank. «Wenn es künftig nur noch schuldfreies Geld gäbe, könnten wir das niemals unterstützen», so Harringer.
Beschwerde wird kaum vor dem 10. Juni behandelt
Die SNB weist den Vorwurf zurück, ihr Präsident Thomas Jordan habe unvollständig informiert. Im fraglichen Referat habe Jordan explizit darauf hingewiesen, dass die Nationalbank auch nach Annahme der Vollgeldinitiative Darlehen an Banken geben könne, erklärt eine SNB-Sprecherin. Generell verfolge die SNB das Ziel, die Vollgeldinitiative so umfassend, klar und verständlich wie möglich zu vermitteln, mit gebotener Sachlichkeit und Transparenz. «Wir beabsichtigen dabei keinesfalls, wichtige Elemente der Initiative zu unterschlagen.»
«Wenn es künftig nur noch schuldfreies Geld gäbe, könnten wir das niemals unterstützen.»
Obwohl Bundeskanzlei und Nationalbank nur noch wenige Tage haben, um ihre Argumente gegenüber dem Bundesgericht darzulegen, ist unwahrscheinlich, dass die Abstimmungsbeschwerde der Vollgeldinitianten noch vor dem Abstimmungstermin vom 10. Juni behandelt wird.
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