Fangewalt in Zürich: 10 Fragen, 9½ Antworten
Die Stadtpolizei Zürich veröffentlicht ein Video, das Angriffe von FCZ-Ultras auf GC-Anhänger zeigt. Was es damit auf sich hat.
Wieso wurden heute die Filmaufnahmen der Fangewalt öffentlich?
Die Stadtpolizei Zürich hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft das Filmmaterial publiziert. Die Aufnahmen zeigen, wie FCZ-Fans vor dem Prime Tower im Zürcher Kreis 5 GC-Fans attackieren. Personen werden angegriffen, zu Boden gestossen und mit Fusstritten gegen den Kopf traktiert, auch wenn sie sich bereits nicht mehr bewegen. Bis heute sind keine Anzeigen von verletzten Personen eingegangen.
Gab es Verletzte?
Aufgrund der Bilder ist anzunehmen, dass es Verletzte gab. Offiziell bestätigt ist das aber nicht, weil keine Anzeigen von verletzten Personen eingingen. Obwohl die Stadtpolizei einen Austausch mit den Spitälern pflegt. Stadtpolizei-Sprecher Marco Cortesi kann sich vorstellen, dass Verletzte möglicherweise irgendwo medizinisch betreut wurden.
Wieso gibt es keine Anzeigen?
Zwischen den Ultras besteht ein Ehrenkodex, dass man nicht mit der Polizei kooperiert und Anzeige erstattet.
Was versprechen sich die Behörden von der Veröffentlichung des Videos?
Bei den heute veröffentlichten Videoaufnahmen handelt es sich nicht um eine Öffentlichkeitsfahndung. Es ist ein Zeugenaufruf, angeordnet durch die Staatsanwaltschaft. Als alle anderen Mittel erschöpft waren, habe man sich zur Publikation entschieden. Man habe noch eine Chance nutzen wollen, um einen Schritt vorwärtszukommen, sagt die Polizei. Der zuständige Zürcher Staatsanwalt Edwin Lüscher bringt noch eine weitere Dimension ins Spiel: Er hoffe aber auch, dass dadurch «die Diskussion um Fangewalt entfacht wird».
Haben die Strafverfolgungsbehörden in Zürich wegen Fangewalt schon einmal zu einer solchen Massnahme gegriffen?
Jein. Die Stadtpolizei Zürich veröffentlichte 2011 zwei Videos, die zeigen, wie gewaltbereite FCB-Anhänger im Eingangsbereich des Letzigrunds wüten. Gleichzeitig veröffentlichte die Stadtpolizei auf ihrer Website die Bilder von 16 an den Ausschreitungen beteiligten Männern und fahndete nach ihnen. Aufgrund von Fotos und Videoaufnahmen wurden ihnen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahldelikte vorgeworfen. Nach der Veröffentlichung der Bilder konnten einige der Gewalttäter identifiziert werden.
Video: Krawall im Letzigrund
Gewaltbereite FCB-Fans wüten im Stadion Letzigrund.
Warum erst jetzt?
Die Massenschlägerei ereignete sich am 28. Februar. Bereits am 1. März publizierte die Stadtpolizei Zürich ein Communiqué zu den Ereignissen vor dem Cup-Halbfinal. Damals klang es weniger gravierend. Nach einem kurzen Gummischroteinsatz habe die Polizei die Situation rasch unter Kontrolle bringen können, hiess es. Das Ausmass der Gewalt sei erst deutlich geworden, als sie die Videoaufnahmen gesichtet hatten, sagt Cortesi.
Wieso prügeln sich Ultras beim Prime Tower?
Vor dem Derby versammeln sich GC-Fans seit einigen Jahren beim Prime Tower im Kreis 5. Danach begeben sie sich auf den gemeinsamen Fanmarsch über die Duttweilerbrücke zum Stadion Letzigrund. Aus Sicht der Fans ist die Stadt durch die Zuggeleise zweigeteilt. Auf der einen Seite steht das Stadion Letzigrund und auf der anderen stand bis 2008 der Hardturm, das Stadion von GC. Die FCZ-Anhänger haben also bewusst die GC-Anhänger an deren üblichem Besammlungsplatz attackiert. Die FCZ-Fans versammeln sich vor den Derbys jeweils auf der Fritschiwiese in der Nähe des Albisriederplatzes und marschieren von da aus zum Stadion.
Sind solche Szenen alltäglich?
Nein. Die Feindschaft zwischen GC- und FCZ-Anhängern ist aber von jeher gross – so gross, dass sie immer wieder in Gewalt eskaliert. Häufigkeit und Ausmass variieren über die Zeit. Es gibt aber Wellenbewegungen. In den vergangenen Monaten häuften sich Meldungen von Schlägereien zwischen rivalisierenden Ultras-Gruppierungen. Diese fanden meist nicht in unmittelbarer Nähe zum Stadion statt und oftmals auch losgelöst von Anspielzeiten. Eine der jüngsten bekannt gewordenen Zwischenfälle war ein Angriff von FCZ-Ultras auf GC-Ultras in einer Turnhalle in Zürich-Leimbach. Gewalt im Stadion oder in unmittelbarer Nähe kommt heute kaum mehr vor.
Infografik: Fussballgewalt ausserhalb des Stadions (Stand Ende Oktober 2017)

Was sagt Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL) zu den Gewaltszenen?
Richard Wolff will sich zu den veröffentlichten Gewaltszenen nicht äussern. Wolffs Sprecher Mathias Ninck verweist auf die Gewaltenteilung. Der Entscheid zur Publikation dieses Filmmaterials obliege der Staatsanwaltschaft, darauf habe die Politik keinen Einfluss. Allgemein habe das Sicherheitsdepartement das Gewaltproblem in der Fanszene erkannt. Deshalb habe die Stadt kürzlich eine interdepartementale Arbeitsgruppe mit dem Namen Orbit ins Leben gerufen. Diese verfolgt das Ziel, Massnahmen gegen die Gewalt zu entwickeln, die von radikalisierten Fangruppen und Einzelpersonen ausserhalb der Fussballstadien und unabhängig von Anspielzeiten ausgeübt wird. «Um genau einen solchen Vorfall handle es sich hier», sagt Ninck.
Was sagen die Exponenten der Vereine?
Die GC-Geschäftsstelle verurteilt das Ereignis: «Gewalt und Krawalle haben an und rund um Fussballspiele nichts zu suchen», heisst es auf Anfrage. Der Verein begrüsse die Veröffentlichung der Szenen und sichert seine «volle Bereitschaft zur Kooperation» zu. Vom FC Zürich hat bislang auf Anfragen der Medien niemand reagiert.
----------

----------
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch