FDP-Geknorz beflügelt grünliberale Träume
Die Zürcher FDP will den Sitz von Stadtrat Martin Vollenwyder mit dem unbekannten und politisch glücklosen Marco Camin ersetzen. Ein Steilpass für die Grünliberalen.
Mit dem Freisinnigen Martin Vollenwyder tritt ein einflussreicher und geachteter Politiker von der Zürcher Politbühne ab. Seit dem Abgang von Elmar Ledergerber (SP) galt er gar als heimlicher Stadtpräsident. Vollenwyder war der Markus Notter der Stadt Zürich. Der Sozialdemokrat Notter war der starke Mann in einer erzbürgerlichen Kantonsregierung, Vollenwyder der Strippenzieher im tiefroten Stadtrat.
Das Bedauern seiner Stadtratskolleginnen und -kollegen ist echt. Gerade die beiden Martins – SP-Mann Waser und Vollenwyder – hatten es gut miteinander. Sie zelebrierten gar ihren Hang zu opulenten Mittagsmahlzeiten. Wo hört man solche Geschichten in diesen polarisierten Zeiten, in denen politische Detaildifferenzen von den Gegnern (und Medien) ausgeschlachtet werden?
Die FDP ist nicht bereit
Diese Harmonie war und ist vielen verdächtig. Deshalb gerieten Vollenwyder und die SVP, aber auch der Magistrat und seine eigene Partei öfter aneinander. Besonders schlecht verdaut hat der Finanzvorsteher, dass die FDP 2010 mitgeholfen hat, sein Budget zu versenken. Sollte sich Vollenwyder mit seinem vorzeitigen Rücktritt an seinen Parteikollegen rächen wollen, ist ihm das gelungen. Ist das Gegenteil der Fall und geschieht die Aktion in Minne oder gar aus gemeinsamen strategischen Überlegungen, bleibt einem nur das Staunen.
Denn die ehemals stolze und erfolgreiche Zürcher FDP ist offensichtlich nicht bereit und präsentiert als Nachfolgekandidaten einen unbekannten und politisch mässig erfolgreichen Mann. Marco Camin mag eine «Gmüetsmoore» sein (NZZ am Sonntag), einen Leistungsausweis hat er nicht. Letztes Jahr ist er gar aus dem Kantonsrat abgewählt worden. Wobei «abgewählt» nicht der ganz korrekte Ausdruck ist. Denn er wurde gar nie gewählt, sondern rutschte nach.
Wenn die Politschwergewichte absagen
Insgesamt verbrachte der 48-Jährige vier Jahre in Parlamenten – je zwei im Stadt- und im Kantonsparlament. Daneben war er Wahlkampfleiter der Partei, die nie gewann. Zumindest in Proporzwahlen. Soll dies der Hoffnungsträger sein, der die FDP vor einem weiteren Sitzverlust im Stadtrat bewahren soll? Zur Erinnerung: Es sind gerade zweieinhalb Jahre vergangen, seit die FDP ihren dritten Stadtratssitz an die Grünen verloren hat.
Zugegeben: Die Fussstapfen Vollenwyders sind gross. Dennoch sollte man von den Freisinnigen einen Kandidaten mit mehr politischem Gewicht erwarten können. Es zeugt nicht gerade von umsichtiger Planung, wenn aussichtsreichere Personen wie Nationalrätin Doris Fiala oder Parteipräsident Michael Baumer «aus beruflichen Gründen» nicht zur Verfügung stehen.
Misslungener Flirt mit der SVP
Und wenn die FDP den Rechtsfreisinnigen Camin nominiert, weil sie so auf den Support der SVP zählt, ist die Rechnung zumindest im ersten Moment nicht aufgegangen. So tobt diese und spricht von «grossen Zweifeln» an der Qualität Camins. Steigt die SVP mit einer Kandidatur ins Rennen, sinken die Chancen der FDP drastisch. Und hält man sich vor Augen, dass FDP-Kandidaten in Zürich nicht ohne Unterstützung der gemässigten Linken gewählt werden, bleiben ob der Nomination bloss grosse Augen.
Profitieren könnten die Grünliberalen. Auch wenn sie in Winterthur bei einer ähnlichen Ausgangslage gegen die FDP verloren haben und nicht mehr alles zu Gold wird, was die GLP anfasst, bleibt sie die Partei mit dem Siegerimage. Auch können es die Grünliberalen in der Stadt Zürich besser mit der Linken als anderswo.
Weiterer Linksrutsch?
Zwar ärgert die GLP ihre Kollegen links der Mitte stets mit ihrer restriktiven Finanzpolitik. Doch viel öfter trifft man sich in Verkehrs- oder Energiefragen. Kommen die Grünliberalen mit einer guten Kandidatur, haben sie beste Chancen auf einen Sitz in der Exekutive der grössten Schweizer Stadt. Gerade diese Aussicht könnte bei der Partei, die jüngst nicht mehr nur positive Schlagzeilen gemacht hat, Kräfte mobilisieren.
Politisch ist die Wahl allerdings nicht ausschlaggebend. Die solide links-grüne Mehrheit mit sechs von neun Sitzen bleibt nach Vollenwyders Abgang intakt. Mit der Wahl eines oder einer Grünliberalen würde der Stadtrat gar noch mehr nach links rutschen. Die Bevölkerung würde von einer Regierung mit 4 Sozialdemokraten, 2 Grünen und 1 Grünliberalen allerdings so schlecht repräsentiert wie noch nie.
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