Filmstar tilgt Schulden von 1398 Bauern
Film-Ikone Amitabh Bachchan macht auf die Misere in der indischen Landwirtschaft aufmerksam. Um «inneren Frieden» zu finden.

Im animierten Hollywood-Blockbuster «Kung Fu Panda» gibt es eine Szene, in der Meister Shifu seinem Schüler Po eine Weisheit mit auf den Weg gibt: «Denk dran, Drachenkrieger, alles ist möglich, wenn du inneren Frieden besitzt.» Inner Peace. Im Film ist der ersehnte Zustand nur durch hartes Training und Meditation zu erlangen, im wirklichen Leben geht das offenbar auch anders, zumindest, wenn man den Blick von Hollywood nach Bollywood schwenkt.
Dort hat Amitabh Bachchan, Superstar der indischen Filmbranche, einen ganz eigenen Weg eingeschlagen, um seinen «inneren Frieden» zu finden. Big B., wie er auch genannt wird, schwingt sich auf zum Retter von Bauern in der Not.
Mühle von Abhängigkeiten
Der 76-Jährige gilt als die Ikone des Hindi-Films, er hat nach den Massstäben des indischen Showbusiness alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Und doch scheint es noch etwas zu geben, das ihm für ein erfülltes Leben fehlt. Der Schauspieler Bachchan hat letzte Woche die Schulden von 1398 indischen Bauern getilgt. Er bezahlt etwa eine halbe Million Dollar aus seinem Vermögen, damit verschuldete Bauern wieder ruhig schlafen können. Ihm selbst, sagt Big B., helfe das, inneren Frieden zu finden.
Bachchan will damit ganz offenkundig den Scheinwerfer auf Indiens grosse Tragödie lenken: Die Bauern des Landes ackern und ackern und kommen doch oft auf keinen grünen Zweig. Man sollte meinen, dass ihre Arbeit ausreichende Einkommen sichert, schliesslich bauen sie an, was jeder Mensch jeden Tag zum Leben braucht. Stattdessen aber geraten Bauern häufig in eine Mühle von Abhängigkeiten, mit denen sie nicht mehr fertigwerden. Irgendwann sehen manche in Indien nur noch einen Ausweg: Sie nehmen sich das Leben.
Das Drama der Suizide in Indien nimmt kein Ende. Es geht nicht allein um die Frage, ob und auf welche Weise Megakonzerne mit teils genmanipulierten Sorten zu den Problemen beitragen oder sie gar erst verursachen, wie einige Kritiker anprangern. Auch mangelnde Kontrollen beim Geldverleih spielen eine wichtige Rolle, Wucherzinsen treiben indische Bauern in die Verzweiflung.

Doch sind sie nur ein Ausschnitt einer massiven Agrarkrise: Die Produktionskosten in der Landwirtschaft steigen, die Einkommen der Bauern stagnieren oder sinken. Verschärfend wirken Unsicherheiten, die dem Klimawandel zugeschrieben werden. So rutschen vormals eigenständige Bauern ab, werden landlose Tagelöhner auf den Feldern. Oder sie ziehen in die Stadt auf der Suche nach Jobs, um ihre Familien ernähren zu können.
Agrarexperte und Autor Pallagumi Sainath klagte in einem Aufsatz für die «New York Times»: «Indiens Eliten und die Regierenden ignorieren weitgehend das ländliche Elend, ausser es kommen Wahljahre oder wenn es sie im Westen in Verlegenheit bringt.»
Schon vor einem Jahrzehnt hatte eine Expertenkommission Empfehlungen gegeben, wie die Politik gegensteuern kann. Doch Reformen, die einer breiten Masse von Bauern mehr Sicherheit bringen könnten, sind nicht in Sicht. Bauern dürfen allenfalls damit rechnen, vor Wahlen von Politikern beschenkt zu werden, für mehr reicht es meistens nicht. Sie sind nach der Stimmabgabe meist schnell vergessen.
Das Drama der Suizide nimmt in Indien kein Ende.
Bollywood-Star Bachchan machte nun auf die Misere aufmerksam. Er zahlte Kredite zurück, die Bauern aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh bei der Bank of India aufgenommen hatten. Zuvor hatte er schon Bauern in Maharashtra geholfen. Weil Big B. mit 190 Filmen längst den Stand eines Halbgottes auf Erden erreicht hat, geht nun ein Raunen durch Indien. Allerdings füllen Bachchans Finanzen häufiger die Schlagzeilen, und nicht immer geht es nur um mildtätige Gaben.
Ein Steuerflüchtling?
Der Name des Bollywood-Stars tauchte sowohl in den Panama Papers als auch in den Paradise Papers auf, doch er pocht darauf, immer ordentlich seine Steuern bezahlt zu haben. Aufgedeckte Verbindungen zu Offshore-Konten in der Karibik schadeten seinem Image bisher nicht. Big B., einer der reichsten Inder Bollywoods, verdiente laut «Forbes» von 2015 bis 2017 mehr als 60 Millionen Dollar, insofern dürfte er die jüngste Zahlung an die Bauern vermutlich gut verkraften. Ob es die Bauern allerdings langfristig aus der Not holt, ist fraglich. Denn das kann nur gelingen, wenn sie mit ihrer Arbeit genug verdienen, um selbst Schulden zu tilgen.
Der Sprecher des indischen Bauernverbandes, Rakesh Tikait, dankte öffentlich «für jede Hilfe, die den Weg entlangkommt». Er macht aber auch deutlich, dass letztlich die Politik schuld an der Misere sei, sie müsse dringend Reformen beschliessen, um das Elend überschuldeter Bauern anzupacken. Nach staatlichen Angaben begingen im Jahr 2015 8007 Bauern und 4595 Farmarbeiter in Indien Suizid. Seither wurden keine offiziellen Zahlen mehr veröffentlicht, was Mutmassungen nährt, sie würden womöglich absichtlich hinausgezögert. Weil Suizide ein Tabuthema sind, schätzen Experten, dass die tatsächliche Zahl weit höher liegt, als es aus Polizeidaten ersichtlich wird.
Dass sich der Bollywood-Star Bachchan für verschuldete Bauern einsetzt, könnte auch mit seinen Erlebnissen zu tun haben. Er weiss, wie es sich anfühlt, tief verschuldet zu sein. Als er in den Neunzigern eine Krise durchmachte und sich Geld leihen musste, gab es für ihn bange Momente: «Ich werde nie vergessen, wie Kreditgeber an unserer Haustür auftauchten, uns beleidigten und bedrohten», sagte er mal. Der Star hat das Tief überwunden, viele Bauern kommen aus der Falle nicht heraus.
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