Flüchtlingskrise spaltet EU – Sommaruga ernüchtert
Die EU-Innenminister finden keine gemeinsame Lösung in der Flüchtlingsfrage. Einig sind sie nur bei der verstärkten Kontrolle der Schengen-Aussengrenze.

Die EU verfolgt in der Frage zur Bewältigung der Flüchtlingskrise keine gemeinsame Strategie. Dies hat das Treffen der Innenminister am Donnerstag in Brüssel deutlich gezeigt. «Eine positive Bilanz kann ich nicht ziehen», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die ebenfalls am Treffen teilnahm. Die Stimmung sei teils «ziemlich angespannt» gewesen.
Für Ärger unter den EU-Innenministern dürfte neben der Ankündigung Ungarns, über die EU-interne Umverteilung von Flüchtlingen abstimmen zu lassen, vor allem die Ankündigung Österreichs und den Westbalkanstaaten vom Mittwoch gesorgt haben, ihre Grenzen strikter zu kontrollieren.
«Anfang vom Ende des Durchwinkens»
Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verteidige das Vorgehen. Damit wollten sie den Zustrom an Flüchtlinge und Migranten verringern. Dies sei endlich «der Anfang vom Ende des Durchwinkens».
Im Auge hat die Österreicherin dabei vor allem Griechenland. Wenn das Land seine Grenze nicht schützen könne, stelle sich die Frage, ob es «weiterhin Aussengrenze sein» könne. Athen ist deswegen bereits stark unter Beschuss geraten. Es wurde ein Verfahren gegen Griechenland eingeleitet, an dessen Ende möglicherweise die Teilsuspendierung von Schengen stehen könnte.
Athen ist verärgert
Athen reagierte verärgert auf die Ankündigung Österreichs, denn es befürchtet, dass wenn die vielen Flüchtlinge nicht mehr weiter reisen können, sie am Ende in Griechenland stranden. Das Land ist jetzt schon mit der Situation überfordert.
Noch am Mittwochabend drohte daher der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, EU-Entscheidungen künftig zu blockieren. Man werde es nicht hinnehmen, «Europas Libanon zu werden», sagte der griechische Innenminister Ioannis Mouzalas. Aus Protest rief die griechische Regierung gar ihre Botschafterin in Wien nach Athen zurück.
Sommaruga ihrerseits warnte davor, noch mehr Druck auf Griechenland auszuüben. Denn dann sei eine «humanitäre Krise nicht ausgeschlossen».
Besorgte Stimmen
Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn gab sich jedenfalls äusserst besorgt über die aktuelle Situation: «Wir haben keine Linie mehr, wir steuern irgendwie in die Anarchie hinein.»
Gemäss EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos stehen die «Einheit der Union und menschliche Leben» auf dem Spiel. Er warnte vor «einsamen Initiativen, die nirgendwohin führen».
Auch die Schweizer Justizministerin äusserte Kritik: «Diese Alleingänge bringen uns nicht weiter.» Es sei vorhersehbar, dass unilaterale Massnahmen Ausweichbewegungen erzeugten und dass dadurch der Druck auf andere Länder steige, sagte sie. Dies gelte auch für die Schweiz.
In der aktuellen Situation geben es kein Land, dass sicher von sich sagen könne, es werde niemals davon betroffen sein, «denn die Migrationsrouten können sehr schnell ändern», sagte Sommaruga.
Türkei als Schlüsselpartner
Während die EU-Staaten streiten, läuft jedoch Europa die Zeit davon. Gemäss Schätzungen von griechischen Medien versuchten am Donnerstag rund 15'000 Flüchtlinge nach Mazedonien zu gelangen. In den Häfen von Piräus und Kavala kamen ausserdem mehr als 3500 neue Flüchtlinge von den Ägäis-Inseln an. Und mit dem Frühling werden noch mehr Flüchtlinge und Migranten nachkommen.
Viele Menschen kommen via Türkei nach Europa. Bereits im letzten November hatte sich daher die EU mit der Türkei auf einem Aktionsplan geeinigt. Er verlangt von Ankara eine bessere Grenzsicherung.
Im Gegenzug bekommt die Türkei unter anderem drei Milliarden Euro und schnellere Visaerleichterungen für ihre Bürger. Da es jedoch bei der Umsetzung des Aktionsplans hapert, wurde für den 7. März erneut ein EU-Türkei-Gipfel anberaumt.
Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière machte deutlich, dass bis dahin die Zahl der über die Türkei nach Griechenland kommenden Flüchtlinge «drastisch und nachhaltig verringert werden» müssen. Gelinge dies nicht, müsse es «andere gemeinsame europäisch koordinierte Massnahmen geben», drohte er.
Einigung bei mehr Schutz der Aussengrenze
Einig waren sich die EU-Innenminister am Donnerstag lediglich bei der verstärkten Kontrolle der Schengen-Aussengrenze. Künftig soll nämlich jeder, der in den Schengen-Raum einreist, überprüft werden – auch EU-Bürger. Bis anhin wurden lediglich Bürger aus Drittstaaten systematisch kontrolliert.
Als nächstes beginnen nun die Verhandlungen mit dem EU-Parlament über diese Anpassungen des Schengener Grenzkodex'. Der Schengen-Raum umfasst insgesamt 26 Staaten – 22 EU-Staaten sowie die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein.
Auch der Bildung eines europäischen Grenzschutzes stehen die EU-Staaten grundsätzlich positiv gegenüber – inklusive der Schweiz. Details dazu müssen jedoch noch geklärt werden.
SDA/mlr
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