Forscher beobachten erstmals Fusion von Neutronensternen
Gerade erst gab es den Nobelpreis für den direkten Nachweis der Gravitationswellen. Nun folgt bereits die nächste Sensation – und dabei entstehen Unmengen Gold.
Forscher haben erstmals sowohl Gravitationswellen als auch Licht von einem kosmischen Grossereignis aufgefangen, nämlich von zwei kollidierenden Neutronensternen. Die Beobachtung liefert neue Erkenntnisse über solche Kollisionen, bei denen schwere Elemente wie Gold und Platin entstehen.
Gerade erst gab es den Nobelpreis für den direkten Nachweis der Gravitationswellen, nun warten Forscher mit der nächsten sensationellen Entdeckung auf: die parallele Beobachtung von Gravitationswellen und Licht (elektromagnetischer Strahlung), die von der Kollision zweier Neutronensterne ausgingen.
Ein Neutronenstern ist das, was nach einer Supernova von einem Stern übrig bleibt. Dieser Sternentyp hat einen Durchmesser von nur etwa zwanzig Kilometern, besitzt aber eine Masse, die etwa der unserer Sonne bis zu etwa 1,6 Sonnenmassen entspricht. Seine Dichte ist somit extrem hoch: Ein Teelöffel Neutronenstern-Material hat eine Masse von einer Milliarde Tonnen, wie das an der Entdeckung beteiligte Massachusetts Institute of Technology am Montag in einer Mitteilung schrieb.
Ein Tanz und dann ein Feuerball
In einer Distanz von 130 Millionen Lichtjahren von der Erde rotierten die beiden nun beobachteten Neutronensterne immer dichter umeinander, erzeugten dabei Gravitationswellen und verschmolzen schliesslich in einem «Feuerball», einer sogenannten «Kilonova».
Video: Nasa-Animation einer «Kilonova»
Astronomen hatten bisher vermutet, dass für die Entstehung schwererer Elemente wie Eisen nur bei einer solchen Fusion von Neutronensternen genügend Energie vorhanden wäre. Auch hier ist nun der direkte Beleg gelungen: Nach der Kollision fanden die Forscher in der Region der Galaxie NGC 4993 unter anderem Hinweise auf enorme Mengen an neu entstandenem Gold und Platin.
Fünf Milliarden Jahre alte Verschmelzung
«Das (die Fusionen von Neutronensternen) sind tatsächlich kosmische Schmelzöfen für schwere Elemente wie Gold, Platin und Uranium», sagte David Reitze, der Chef Gravitationswellen-Observatorium LIGO in den USA. Er hält die goldene Taschenuhr seines Grossvaters in die Höhe: «Sehr wahrscheinlich» sei auch das Gold der Uhr durch die Kollision zweier Neutronensterne entstanden.
Auch Patrick Sutton von der Universität Cardiff ist begeistert: «Das Gold in Ihrem Hochzeitsring stammt wahrscheinlich von einer Neutronenstern-Verschmelzung, die sich vor fünf Milliarden Jahren und damit vor der Entstehung der Sonne in unserem Teil der Galaxis ereignet hat.»
Bisher hatten LIGO und sein europäisches Pendant VIRGO bei Pisa in Italien die von Einstein vorhergesagten Verkrümmungen der Raumzeit nach Kollisionen von Schwarzen Löchern aufgefangen. «Optische Beobachtungen waren dabei nicht möglich», erklärt Astrophysiker Philippe Jetzer von der Universität Zürich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
«Jetzt haben wir einen neuen Typ von Ereignis mit diesen Gravitationswellen-Observatorien beobachtet», so Jetzer weiter, dessen Postdoktorandin Maria Haney gemeinsam mit insgesamt rund 1500 Forschenden weltweit an der Entdeckung und Datenanalyse beteiligt war. Der «Feuerball» und Kollisionen des weggeschleuderten Materials mit Gaswolken im interstellaren Raum erzeugte elektromagnetische Strahlung praktisch im gesamten Wellenlängen-Spektrum.
Grosser Glücksfall
Die Beobachtung gelang am 17. August mithilfe von LIGO, VIRGO und rund siebzig erdbasierten und Weltraum-Observatorien für elektromagnetische Strahlung. Gerüchte über die spektakulären Messungen geisterten seither bereits durch die Forschungsgemeinschaft, offiziell werden die Ergebnisse nun erstmals im Zuge mehrerer Fachartikel präsentiert. Beteiligt waren unter anderem auch Forschende der Universität Genf.
Dank der parallelen Messung der Gravitationswellen mit LIGO in den USA und VIRGO in Italien konnten die Forschenden die Quelle des Signals orten, und zwar in einer Galaxie, die unserer Milchstrasse relativ nahe ist. «Dass dieses Ereignis so nahe war, war ein Riesenglück, denn die Gravitationswellen von Kilonovae können wir nur in deutlich geringerer Reichweite als die vom Verschmelzen Schwarzer Löcher beobachten», erklärte Jetzer.
Knapp zwei Sekunden nach dem Ausschlagen der Gravitationswellen-Observatorien fing das Fermi-Weltraumteleskop der US-Raumfahrtagentur Nasa einen Gammastrahlen-«Blitz» auf, der aus der gleichen Richtung kam. Im Laufe der nächsten Minuten und Stunden richteten zahlreiche weitere Teleskope und Observatorien ihre Messgeräte auf dieses Ereignis und sammelten eine Fülle von Daten.
«Wir können nun Rückschlüsse ziehen über die innere Zusammensetzung solcher Neutronensterne und dabei wichtige neue Erkenntnisse im Bereich der Kernphysik bei extrem hohen Dichten gewinnen», erklärt Jetzer. Ausserdem lasse sich aus dieser Beobachtung und hoffentlich weiteren solchen Ereignissen nachvollziehen, wie oft diese Kollisionen stattfänden und wie die Entstehung bestimmter schwerer Elemente im Universum ablaufe.
SDA/mch
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