Frage des Tages: Rezession in der Schweiz wegen Eurorkise?
Kurz nach Handelsbeginn fallen die europäischen Indizes drastisch – auch die Schweizer Titel leiden. Der Euro erreicht neue Tiefststände. Schwappt die Krise in die Schweiz? Stimmen Sie am Ende des Artikels ab!
Die von den Euro-Finanzministern beschlossenen Laufzeitverlängerungen und Zinssenkungen für Griechenland, Irland und Portugal haben nicht zur Beruhigung der Märkte beigetragen: Der Leitindex SMI notiert kurz nach Handelsbeginn um 2,4 Prozent tiefer auf 5908 Punkten. Sämtliche Titel des Index – von ABB bis Zurich gaben nach. Die UBS notierte zeitweise fast fünf Prozent im Minus. Bis kurz vor Mittag haben sich dann aber die meisten Titel wieder etwas erholt. Die UBS notiert um 11.39 Uhr bei minus 1,75 Prozent, der Gesamtmarkt liegt 1,49 Prozent im Minus.
Am Schweizer Aktienmarkt sind in einem schwachen Gesamtmarkt insbesondere die Finanzwerte unter Druck geraten. Experten verwiesen auf die anhaltenden Sorgen um eine Verschärfung der europäischen Schuldenkrise. Diverse Finanztitel loteten neue Jahrestiefs aus.
Banktitel leiden
Die Papiere der UBS sanken zeitweise um 4,9 Prozent und markierten bei 13.52 Franken ein neues Jahrestief. Die Aktien der Credit Suisse gaben um 3,9 Prozent nach. Daneben sanken die Titel der Bank Julius Bär um 3,7 Prozent. Die Versicherungstitel ZFS und Swiss Re gaben um 3,1 Prozent beziehungsweise 2,6 Prozent nach.
Panikverkäufe bei Europas Finanztiteln haben vor allem die Aktien der italienischen Unicredit ins Strudeln gebracht. So fielen die Unicredit-Aktien in Mailand in der Spitze um acht Prozent.
Zwei Mal binnen zwei Stunden mussten die Titel an der Mailänder Börse wegen zu hoher Kursschwankungen ausgesetzt werden. Die Aktien haben allein seit Anfang Juli 30 Prozent an Wert verloren. Auch die Intesa-Sanpaolo-Aktien blieben unter Druck und verloren zweitweise 7,3 Prozent.
Stresstest stresst
Die meisten übrigen europäischen Bankenwerte gaben ebenfalls deutlich nach: In Frankfurt verloren die Titel der Deutschen Bank drei Prozent, Commerzbank-Aktien gaben um 2,5 Prozent nach. Im Stoxx50 führten Barclays die Verliererliste mit einem Abschlag von 4,3 Prozent an. Der Banken-Stoxx-Index verlor 1,6 Prozent.
«Italien und Spanien sind jetzt ins Gerede gekommen, und das hat ein ganz anderes Kaliber als Griechenland, Irland und Portugal», erklärte ein Analyst bei der portugiesischen Bank Espirito Santo. «Das könnte eine echte Systemkrise sein. Das ist eine sehr reale Bedrohung, und die Panik wird zum Selbstläufer.»
Die Veröffentlichung eines Stresstest der europäischen Banken am Freitag wurde als weiterer Grund für die Panik angeführt.
Euro fällt tief
Wegen der Angst vor einem Überschwappen der Schuldenkrise auf Italien hat der Euro weiter an Wert verloren. Der Euro unterbot das Rekordtief zeitweise deutlich – er fiel bis auf 1.1552 Franken. Neben den finanziellen Problemen Italiens drückten auch Diskussionen über eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des hochverschuldeten Griechenlands auf den Wechselkurs.
Gegenüber dem Dollar rutschte der Euro auf 1.3875 und lag damit mehr als einen US-Cent niedriger als am Vorabend.
Zinsen gehen hoch
Händler begründeten die Flucht vom Euro zum Franken auch mit dem Anstieg der Renditen am Anleihemarkt. So kletterten die Zinsen für die zehnjährigen italienischen Staatsanleihen auf über sechs Prozent und notierten damit so hoch wie noch nie seit der Einführung des Euro 1999.
Die Euro-Gruppe schliesst einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands inzwischen nicht mehr aus, wie der niederländische Finanzminister am Morgen in Brüssel erklärte. Hingegen bekräftigte die Europäische Zentralbank ihre Position, dass die Erklärung eines teilweisen Zahlungsausfalls für Griechenland durch die Ratingagenturen verhindert werden müsse.
DAX fällt unter 7000 Punkte
Der deutsche Index DAX fiel in den ersten Handelsminuten unter 7000 Punkte. Er verlor zeitweise über 200 auf 6996 Punkte, bevor er sich wieder leicht erholte. Gegen 10.00 Uhr notierte der Leitindex bei 7033 Zählern.
In Japan schlossen die Börsen aufgrund der Euro-Sorgen ebenfalls schwach. Ein positiver Konjunkturausblick der Bank of Japan fand kaum Beachtung. Der Nikkei rutschte unter die Marke von 10.000 Punkten und schloss mit einem Abschlag von 1,4 Prozent auf 9.926 Zähler.
Wesentliche Fragen ungeklärt
Zwar hatten sich die Euro-Finanzminister in ihrer Marathonsitzung gestern mit «absoluter Entschlossenheit» dazu bekannt, die Schuldenkrise einzudämmen. Dazu sollen die Laufzeiten der Notkredite für Länder unter dem Rettungsschirm verlängert und die Zinsen gesenkt werden. Auch wird in Betracht gezogen, den befristeten Rettungsschirm zum Aufkauf von Altschulden zu ermächtigen. Konkrete Entscheidungen waren die Ressortchefs aber schuldig geblieben.
Kein Durchbruch erzielt wurde im Ringen um das zweite Rettungspaket für Griechenland. In der Erklärung der Eurogruppe wurden lediglich «die Vorschläge des privaten Sektors für einen freiwilligen Beitrag begrüsst». Eine Einigung scheint weiter nicht greifbar.
Von grösserem Gewicht ist die Angst der Anleger vor einer Ausweitung der Schuldenmisere auf Italien. Obwohl die politische Krise in dem Land der Hauptgrund für die jüngste Zuspitzung der Krise ist, wandten sich die Euro-Finanzminister nicht ausdrücklich an Rom. «Wir sind uns gewahr, dass das Land im Visier der Märkte ist», sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.
«Ansteckungsgefahr vermeiden»
Juncker zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass die geplanten Laufzeitverlängerungen und Zinssenkungen für die Staaten am Euro-Tropf, also Griechenland, Irland und Portugal, zur Beruhigung beitragen werden. Die Grössenordnung sowie einen Zeitpunkt, ab der die Erleichterungen gelten sollen, blieben die Minister indes schuldig. «So schnell wie möglich» werde darüber entschieden, sagte Juncker.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte im Deutschlandfunk davor, «dass man in einer so nervösen Lage nicht Ansteckungsgefahren verstärkt». Er gab sich aber optimistisch, dass die Spekulationen über die Zahlungsfähigkeit Italiens bald wieder zurückgehen. Der italienische Finanzminister habe den Haushaltsentwurf vorgelegt. Es bestehe kein Zweifel, dass das Parlament ihn so auch beschliesse.
Heute nehmen die Finanzminister aller 27 EU-Staaten ihre Beratungen auf. Im Mittelpunkt des Treffens in Brüssel standen die Vorbereitungen auf die EU-weiten Bankenstresstests, deren Ergebnisse am Freitag veröffentlicht werden sollten. «Man muss sich darauf vorbereiten, dass die ein oder andere Bank in Schwierigkeiten kommt», sagte der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden. Experten erwarten, dass sich die Zahl der Durchfaller wegen der strengeren Regeln gegenüber den Tests im Vorjahr von 7 auf etwa 15 verdoppeln könnte.
sda/dapd/AFP/bru/oku
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