Zu billige BaguettesFrankreich streitet um sein liebstes Brot
Sind 30 Rappen genug? Die Baguette ist eine Säule der französischen Kultur und das meistgegessene Brot im Land. Mit einem neuen Tiefstpreis hat eine Supermarktkette nun eine Kontroverse ausgelöst.

«Baguette-Krieg» nennen die Medien den Streit, der gerade in Frankreich tobt. Dabei geht es um die Frage: Was ist das beliebtestes Brot eigentlich noch wert? Begonnen hat alles vor gut einer Woche, als die grosse Supermarktkette Leclerc eine Senkung des Preises für eine Baguette ankündigte: auf 29 Cent, zurzeit etwa 30 Rappen.
Dabei ist die Baguette für die Franzosen nicht bloss ein Stück Brot, sondern eine Säule der Kultur und das meistgegessene Brot im Land. Gerade am Wochenende stehen die Menschen vor den Bäckereien Schlange, um mit einer Baguette unter dem Arm nach Hause zu gehen – wobei sie unterwegs oft schon ein Stück des ofenwarmen Brots kosten.
Um die Kaufkraft der Franzosen und Französinnen in einer schwierigen Lage zu schützen, werde der Preis für vier Monate gesenkt, kündigte Leclerc in grossen Zeitungsanzeigen an. «Die helle Baguette ist ein Grundprodukt für Hunderttausende französische Familien, die beim Einkauf auf jeden Euro achten müssen», argumentierte Firmenchef Michel-Édouard Leclerc.
Prompt liefen Landwirte und die Backbranche Sturm gegen den Preis, mit dem Leclerc angesichts momentan steigender Kosten etwa für Mehl nach ihrer Kalkulation kein Geld verdienen könne. Lebensmittel würden verramscht und handwerklich hochwertige Produkte entwertet, lautete der Vorwurf.
«Während das Know-how und die Qualität der französischen Baguette von der Unesco anerkannt werden, werden die hervorragenden Leistungen der Landwirte, Getreideerzeuger, Müller und Bäcker, um die uns die Welt beneidet, verschleudert», wetterte der Agrarverband FNSEA. Statistisch habe der Durchschnittspreis für eine Baguette 2021 bei 90 Cent gelegen, neben den Mehlpreisen stiegen derzeit auch Energie- und Lohnkosten.
Der Wirtschaftsminister verteidigte die Wahlfreiheit
Die Wellen in der Preisdiskussion schwappen so hoch, dass sich Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zu Wort meldete. Er verteidigte die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten. Wer eine hochwertige Baguette wolle, der könne zum handwerklichen Bäcker gehen und zahle etwas mehr. Wer hingegen aufs Geld schauen müsse, dem komme das Angebot entgegen.
Während viele Franzosen also beim alltäglichen Gang in den Supermarkt von den Preisen profitieren dürften, klagt die Industrie – allen voran der Getreidesektor. Der Leclerc-Chef rechnet hingegen vor: Selbst wenn der Mehlpreis um 30 Prozent steige, werde eine Baguette nur um einen Cent teurer. Die Kunden sprängen auf die Preissenkung an.
Das Ganze sei zum «Baguette-Gate» hochstilisiert, meint Handelsexperte Olivier Dauvers, der den Protest als Lobbyismus bezeichnete. Die schweigende Masse der Konsumentinnen und Konsumenten, von denen viele aufs Geld schauen müssten, stimme eben mit ihrem Kaufverhalten ab – und dieses habe Leclerc und auch Lidl 2021 einen gestiegenen Marktanteil beschert. Auch Lidl hat den Preis inzwischen gesenkt.
«Natürlich mache ich das mit Bedauern, aber wenn sich der führende französische Einzelhändler bei einem so symbolischen Produkt wie der Baguette auf einen Preis festlegt, wird der gesamte Einzelhandel ihm folgen», sagte Lidl-Frankreich-Chef Michel Biero. Seit zehn Jahren habe der Supermarktpreis für eine Baguette bei 35 Cent gelegen. Wegen gestiegener Kosten habe man eigentlich eine Erhöhung auf 39 Cent erwogen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.