Franz W. war bereits 2016 «psychisch auffällig»
Waffenbesitz, Vorstrafen, fürsorgerische Unterbringung: Der 51-jährige Angreifer von Schaffhausen war aktenkundig.

Die Entwarnung kam gestern Abend: Die Polizei hat den flüchtigen Franz W. in Thalwil ZH gefasst. Heute um 10 Uhr will sie über den Einsatz informieren.
Zuvor hatten die Polizei-Korps der Kantone Schaffhausen, Zürich und Thurgau fieberhaft nach dem 51-Jährigen gefahndet, in der Stadt, in umliegenden Dörfern, vor allem in Wäldern. Helikopter wurden eingesetzt, Waldstücke abgesperrt, rund 100 Personen waren im Einsatz. Der mutmassliche Täter hatte am Montagmorgen Mitarbeiter einer Filiale der CSS-Krankenkasse in Schaffhausen attackiert. Beim Angriff wurden fünf Personen verletzt, eine davon schwer.
Geldstrafe wegen Waffen
Franz W. war den Behörden schon früher aufgefallen. Bereits 2014 und 2016 wurde er wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz verurteilt. Beide Male erhielt er eine Geldstrafe.
Der erste Vorfall ereignete sich im Kanton Bern. Damals hatte W. eine rechtmässig erworbene Pistole durchgeladen und griffbereit in seiner 1-Zimmer-Wohnung aufbewahrt. Weil er sich nach eigenen Angaben bedroht fühlte, trug er die Waffe mehrfach ausserhalb seiner Wohnung – ohne die nötige Bewilligung. Neben der Pistole stellte die Polizei auch einen Spitzhammer, einen Pfefferspray sowie Munition sicher.
Verbotenes Elektroschock-Gerät
Die zweite Vorstrafe handelte sich W. im Kanton Luzern ein. Im Frühling 2016 fand die Polizei bei einer Kontrolle ein Rasiermesser sowie ein Elektroschock-Gerät. Letzteres ist in der Schweiz verboten. Auf die Waffe stiess die Polizei im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung (FU), wie der Erste Schaffhauser Staatsanwalt Peter Sticher sagte. Er ist für das aktuelle Strafverfahren gegen Franz W. zuständig.
Bei einer FU werden Personen normalerweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Was im Fall von W. zur Einweisung führte, liess Sticher offen. «Das ist Gegenstand weiterer Abklärungen.» Die Einvernahme mit W. sei aber schwierig gewesen: «Er war psychisch auffällig.»
«Er war psychisch auffällig.»
Über eine allfällige psychiatrische Diagnose äusserte sich die CSS gestern nicht. Man sei daran, sein «umfangreiches Dossier anzuschauen», sagte Sprecherin Christina Wettstein. Franz W. sei seit mehreren Jahren Kunde gewesen. «Als Erstes möchten wir verstehen, was passiert ist. Bezüglich Motiv haben wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Ahnung.»
Bei zwei der fünf verletzten Personen handelte es sich um Mitarbeiter der CSS. Mit mindestens einer hatte W. laut Wettstein «bereits direkten Kontakt gehabt». Der Angriff habe sich gezielt gegen die Schaffhauser Filiale gerichtet.
Noch unklar ist, ob der mutmassliche Täter eine Invalidenrente bezogen hat. Im Polizeirapport 2014 in Bern habe er angegeben, von Beruf «IV-Rentner» zu sein, sagte Staatsanwalt Sticher. Auch Medien berichteten, Franz W. habe nach einem Autounfall eine entsprechende Rente bezogen. Bestätigt sei dies indes noch nicht, erklärte Sticher. Sicher ist: Im Kanton Graubünden, wo W. zuletzt gemeldet war, bezog er laut der kantonalen IV-Stelle keine Rente. Die Kantone Luzern und Appenzell Ausserrhoden nahmen zur Redaktion Tamedia -Anfrage keine Stellung. Auch dort hatte W. einst gewohnt.
Ein Verdacht allein reicht nicht
Nach der Tat stellt sich die Frage, ob W. aufgrund der Vorstrafen der Polizei schon früher hätte auffallen müssen. «Die Schwierigkeit besteht darin, dass es sehr viele auffällige Personen gibt, die der Polizei gemeldet werden», sagt Jérôme Endrass vom Zürcher Amt für Justizvollzug. Allein in Zürich rückt der Gewaltschutzdienst der Polizei 700- bis 1000-mal pro Jahr aus.
Werde jemand lediglich ein- oder zweimal aktenkundig, habe das nicht unbedingt weitere Polizeibesuche zur Folge, sagt Endrass. «Dazu braucht es mehr – wenn etwa jemand zusätzlich Drohungen ausstösst.» Dazu kommt die Schwierigkeit, dass W. in den letzten Monaten offenbar zurückgezogen im Wald lebte. «Selbst wenn ein solcher Mensch eine Kombination von auffälligen Merkmalen zeigt oder sich eine Psychose verschlimmert, bemerkt das unter Umständen niemand.» Um eine Tat verhindern zu können, sei deshalb entscheidend, dass Personen der Polizei meldeten, falls sich jemand verdächtig verhalte.
Im Nachhinein gibt es solche Verdachtsmomente auch in Uhwiesen, wo W. die letzten Wochen im Wald verbrachte. Laut Gemeindepräsident Rudolf Karrer haben Nachbarn beobachtet, wie W. seine Kettensäge auf dem Weg zur Bushaltestelle in einem Abfallsack bei sich trug. «Das habe ich aber erst jetzt erfahren», sagt er.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch