Französisches Seebad legt Hafen für Staatschefs lahm
Im französischen Deauville laufen die letzten Vorbereitungen für das G-8-Gipfeltreffen. Die arabische Revolution und Fukushima sind die Hauptthemen. Und vielleicht fällt auch eine Vorentscheidung für ein wichtiges politisches Amt.

12'000 Sicherheitskräfte riegeln das mondäne normannische Seebad Deauville ab. Der Hafen ist stillgelegt, Boden-Luftraketen sind stationiert. Heute schon knatterten Hubschrauber im Dauereinsatz über dem breiten weissen Sandstrand, dem Casino und dem Konferenzzentrum. Ab morgen Donnerstag bis Freitag stecken hier die Staats- und Regierungschefs der acht grössten Industriestaaten auf ihrem jährlichen Gipfeltreffen die Köpfe zusammen. Und sie wollen ungestört bleiben.
Für Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy bieten die im Sommerwind flatternden Flaggen, das Gruppenfoto mit US-Präsident Barack Obama und Co. die ersehnte Kulisse, um sich als internationaler Strippenzieher für den eigenen Wahlkampf zu positionieren. Entsprechend hat der Élysée-Palast grosses vor in Deauville. Unweit der Strände, wo einst die Alliierten ihre Grossoffensive gegen Nazideutschland starteten, soll eine neue Partnerschaft der G-8 mit Nordafrika ausgerufen werden. Von einem «Gründungsmoment» spricht eine Pariser Diplomat. Der «arabische Frühling» soll mit einer Art zweitem Marshallplan vorangetrieben und gefestigt werden.
Obama hatte die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) vergangene Woche aufgefordert, auf dem Gipfel einen Plan für die Modernisierung der Wirtschaft in Ägypten und Tunesien vorzulegen. Er stellte Kairo einen Schuldenerlass und Investitionen von jeweils einer Milliarde Dollar in Aussicht. Die EU-Kommission legte nach und beschloss, 1,2 Milliarden Euro zusätzlich für ihre Nachbarschaftspolitik zu verwenden. Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von der «Verpflichtung, die Reformen in unseren Nachbarländern zu unterstützen».
Kairo und Tunis können um Vertrauen werben
Dass der Gipfel einen zusätzlichen Scheck ausstellt, wird aber nicht erwartet. Denn die EU und die internationalen Organisationen wie der IWF wollen Finanzhilfe an tatsächliche Reformen knüpfen. Und noch ist die Lage in Kairo und Tunis unübersichtlich. Am Freitag können sich die Staatschefs von Ägypten und Tunesien, in denen die Demokratiebewegungen zum Sturz der autoritären Regierungen geführt haben, zu Reformen bekennen und für neue Investitionen werben. Der Empfang im Kreis der G-8-Partner soll das Vertrauen in die jungen Demokratien stärken.
Um Vertrauen geht es auch beim Thema Atomsicherheit nach Fukushima. G-8-Land Japan wird die Partner am Donnerstag über die Lage in dem Katastrophengebiet informieren, und über die wirtschaftlichen Auswirkungen. Die Europäer haben sich am Mittwoch erst nach zähem Ringen auf die Kriterien für Stresstests ihrer 146 Atomkraftwerke geeinigt. Während Deutschland auf den Gau in Japan mit einer Abkehr von der Atomenergie reagiert, sehen Frankreich und Grossbritannien dafür keinen Grund. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekommt in Deauville die Chance, für ihren Kurs zu werben.
Auch über den künftigen Kurs im Libyen-Krieg wollen sich die acht Staatenlenker austauschen. Die deutsche Enthaltung bei der Libyen-Resolution im Weltsicherheitsrat hat das Bündnis unter den westlichen Staaten auf die Probe gestellt. An der Normandieküste können auch die Nicht-Nato-Staaten Russland und Japan ihre Punkte machen. Doch da schon innerhalb der Natogestritten wird, wie Machthaber Muammar al-Ghadhafi zum Aufgeben gezwungen werden kann, sehen Experten wenig Spielraum für eine starke Position des G-8-Gipfels mit dem zurückhaltenden Russland am Tisch.
Weichenstellung für Lagarde?
Mit Spannung dürften die Europäer in Deauville darauf warten, wie die USA, Russland und Japan auf die Kandidatur der französischen Finanzministerin Christine Lagarde für den IWF-Chefposten reagieren. Lagarde hatte ihren Hut in den Ring geworfen, um die Nachfolge ihres wegen sexuellen Missbrauchs in New York angeklagten Landsmannes Dominque Strauss-Kahn anzutreten. Die EU steht geschlossen hinter der Pariserin. Die nichteuropäischen G-8-Staaten eingerechnet sind in Deauville 51 Prozent der IWF-Stimmanteile versammelt. Zudem würden positive Signale aus Japan oder aus den am Freitag hinzu geladenen afrikanischen Staaten erkennen lassen, dass etwaige Gegenkandidaten aus Asien oder den Entwicklungsländern kaum Aussicht hätten.
Eine Weichenstellung für Lagarde, das könnte eines der wenigen konkreten Ergebnisse des G-8-Gipfels werden, wenngleich die IWF-Nachfolge nicht auf dem offiziellen Programm steht. Aber auch ohne wegweisende Beschlüsse in Deauville wird Gastgeber Sarkozy versuchen, sich als Impulsgeber im «arabischen Frühling» zu inszenieren. Das ist in der eigenen Bevölkerung allemal populärer als Schlagzeilen über die Euro-Krise, die nach dem Gipfel wieder auf die Tagesordnung rücken wird.
dapd/miw
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