Zürcher Studie zu StudienwahlFrauen lassen sich mehr von Geschlechterrollen leiten als Männer
Frauen fühlen sich zu Berufen mit hohem Lohn und Ansehen hingezogen – genau wie Männer. Warum sie trotzdem nicht in solchen Jobs landen, zeigt eine Studie der Universität Zürich.

An der ETH Zürich studieren derzeit 3026 Menschen Informatik. 493 davon sind Frauen. Das sind nur 16 Prozent. In der Physik liegt der Frauenanteil bei 22 Prozent. Im Fach Bauingenieurwesen bei 28 Prozent. Wieso der Frauenanteil in den sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) so gering ist, versucht die Wissenschaft schon lange zu beantworten.
Eine neue Gender-Studie der Universität Zürich (UZH) kommt nun zu einem überraschenden Ergebnis. Gymnasiastinnen lassen sich bei der Studienwahl mehr von gesellschaftlich verankerten Rollenbildern leiten als ihre männlichen Mitschüler. Darin könnte der Grund für den geringen Frauenanteil in technischen Studiengängen liegen. Denn an ihren Fähigkeiten scheitern Frauen nicht. Frauen sind in Mathematik gleich gut wie Männer. Das zeigen Untersuchungen.
1500 Gymnasiasten befragt
Benita Combet vom Soziologischen Institut der UZH hat untersucht, welche geschlechtsspezifischen Stereotype bei der Studienwahl junger Menschen eine Rolle spielen. Denn bei Mint-Fächern gibt es viele davon; die Studiengänge sind mathematiklastig, erfordern eine hohe Affinität zur Technik, sie versprechen einen hohen Lohn, dafür meist wenig Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit. Alles Eigenschaften, die gemäss dem traditionellen Rollenbild nicht auf sogenannte Frauenberufe zutreffen.
Wie es in einer Medienmitteilung der UZH heisst, wählte Combet für ihre Studie einen neuen Ansatz. Statt Schülerinnen und Schüler zu ihren Interessen an realen Studiengängen zu befragen, legte die Soziologin ihren Versuchspersonen einen Fragebogen mit zwei fiktiven Studienfächern vor. Diese unterschieden sich nur in Punkten, die Mann-Frau-Vorurteile betreffen. Also beispielsweise in Bezug auf die Höhe des späteren Lohns oder in der Anforderung an das analytische Denken. Aufgrund dieser Angaben mussten die Versuchspersonen ankreuzen, welches Studienfach sie mehr interessiert. An der Studie nahmen rund 1500 Schweizer Gymnasiastinnen und Gymnasiasten teil.
Mathematik spielt bei Wahl der Frauen keine Rolle
Das Ergebnis: Bei der Wahl der jungen Männer waren lediglich drei Faktoren ausschlaggebend: überdurchschnittlicher Lohn, Prestige und die Mathematiklastigkeit des Studiengangs.
Die jungen Frauen hingegen machten ihre Wahl von diversen anderen Faktoren abhängig. So bevorzugten sie beispielsweise Studienfächer, die zu weniger kompetitiven Berufen führen und die Teilzeitarbeit ermöglichen. Zudem zeigten sie eine deutliche Abneigung gegenüber Fächern, die analytisches Denken und technische Fähigkeiten voraussetzen, dafür eine Vorliebe für solche, die soziale und emotionale Fähigkeiten erfordern. Die Mathematiklastigkeit eines Studiengangs beeinflusste die jungen Frauen hingegen nicht. Und entgegen den Erwartungen der Wissenschaftlerinnen fühlten sie sich beinahe in gleichem Masse zu Fächern mit überdurchschnittlichem Lohn und Prestige hingezogen wie die männlichen Probanden.
In der Studie heisst es dazu (übersetzt aus dem Englischen): «Unerwarteterweise sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in erster Linie auf die Präferenzen der Schülerinnen zurückzuführen, während die Schüler den meisten Merkmalen neutral gegenüberstehen.»
Wie lässt sich das deuten?
Besser zu Mint-Fächern informieren
Die Studienergebnisse zeigen erstens, dass junge Frauen grundsätzlich an prestigeträchtigen Berufen mit hohen Löhnen, wie sie Mint-Fächer versprechen, interessiert sind. Zweitens deutet die Studie darauf hin, dass ein Grossteil der Frauen wohl aufgrund ihrer Vorstellungen über das Frausein trotzdem nicht in diesen Berufen landen.
Interessant dabei: Junge Frauen scheint nicht die Mathematik an sich abzuschrecken, sondern viel eher stark männlich aufgeladene Eigenschaften wie die Affinität zur Technik, die mit den Mint-Fächern assoziiert werden. Studienautorin Benita Combet schliesst daraus auch, dass es wichtig sei, Schülerinnen noch besser über die Studienfächer zu informieren. Denn wie es in der Medienmitteilung der UZH heisst, geht es in vielen der Mint-Studiengänge gar nicht primär um diese männlich konnotierten Eigenschaften, sondern auch um soziale und kreative Fähigkeiten.
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