«Frauenfeindliche Texte werden toleriert»
Wie sexistisch die Hip-Hop-Szene ist und was man dagegen tun kann. Antworten der Basler Rapperin und Feministin Kim Bollag alias KimBo.

Die Chaostruppe rappt in einem Song über Natalie Rickli, sie müsse nur wieder einmal «richtig gfiggt» werden. Wie wörtlich ist eine solche Zeile zu nehmen?
Das ist von Fall zu Fall verschieden. Ich kenne das Lied nicht, glaube aber, es geht vor allem darum, zu provozieren. Wenn man provoziert, erreicht man mehr. Man wird sichtbar. Provokation kann eine bewusste Strategie sein, um als Künstler auf sich aufmerksam zu machen.
Wie weit darf Hip-Hop gehen?
Rap ist Kunst, darum muss man bei der Bewertung auch eine gewisse Toleranz haben, auch als feministische Rapperin wie ich. Ich verstehe, dass manche Texte irritierend sind. Und wenn die Sprache zu plump ist oder nicht originell, gefällts nicht jedem. Aber zum Beispiel das Wort «Bitch» wird so viel und unterschiedlich gebraucht. Es hat den Beleidigungsfaktor beinahe verloren, das benutze ich im Alltag auch. Dieses Wort haben sich Rapperinnen auch bewusst angeeignet und umdefiniert. Allerdings würde ich es eher weniger in einen Rap-Text einfliessen lassen. Ich versuche, eine eigene Sprache zu finden, und nicht einfach zu kopieren, was andere machen.
Deutsche Gangster-Rapper wie Bushido sind sehr offen sexistisch. Wie ist das in der Schweiz?
Im Mainstream sind die Texte, wenn dann, subtil frauenfeindlich, aber auch dort sind klassische Geschlechterbilder verbreitet. Und im Underground gibt es auch in der Schweiz sehr frauenfeindliche Rapper.
Kool Savas sagt, nicht der Hip-Hop sei sexistisch, sondern die Gesellschaft. Der Rap spiegle das nur. Verstehen das die Fans auch?
Das glaube ich nicht. Bei Jugendlichen geht es vor allem darum, dass ein Rapper cool ist. Ich glaube nicht, dass 13-Jährige die Texte komplett verstehen. Der Druck, insbesondere als Gangsta-Rapper, viril und männlich zu wirken, ist sehr gross. Dabei sind viele davon Bubis, die wollen nur krass tun und werden zu Hause vom Mami verwöhnt.
Als wie sexistisch nehmen Sie die Hip-Hop-Szene wahr?
Ehrlich gesagt, als sehr sexistisch, aber das ist die Musikszene allgemein. Im Hip-Hop ist das halt sehr explizit, nicht nur im Gangster-Rap, auch in intellektuelleren Raptexten, darüber gibt es sogar Studien. Im Alltag müssen weibliche Rapperinnen mehr auf dem Kasten haben, um die gleiche Anerkennung zu erhalten. Und viele Künstlerinnen spielen mit ihren Reizen, um Erfolg zu haben. Ich glaube aber daran, dass ein Wandel stattfindet.
Woran machen Sie diesen Wandel fest?
Es gibt immer mehr Frauen in der Hip-Hop-Szene, die für Jugendliche als Inspiration dienen können.
Ärgert Sie das Frauenbild im Hip-Hop nicht?
Manchmal muss ich darüber lachen; es kann sehr lächerlich wirken. Es hat auch etwas Heuchlerisches: Bei ausländerfeindlichen Texten gäbe es einen Aufschrei, aber frauenfeindliche Texte werden toleriert.
Kann man Rapperin sein und Feministin?
Absolut! Ich engagiere mich auch mit meiner Musik gegen Gewalt an Frauen.
Was kann man dagegen tun?
Ich finde es sehr wichtig, dass Frauen zusammenhalten und sich nicht klein machen lassen. Auch männliche Unterstützung finde ich wichtig.
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