Frauenfrage setzt bürgerliche Parteien unter Druck
Welche bürgerlichen Frauen kommen als Bundesrätinnen in Frage? Bei der FDP gibt es eine einzige Favoritin, bei der CVP gar keine.
Der Coup ist ausgeblieben: Die Waadtländer FDP-Kandidatin Isabelle Moret blieb bei den gestrigen Bundesratswahlen chancenlos. Bei den nächsten Wahlen wird sich deshalb die Frauenfrage erneut stellen – und möglicherweise an Dringlichkeit gewinnen. Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP) hat bereits angekündigt, dass sie bis im Herbst 2019 zurücktreten wird. Damit könnte Simonetta Sommaruga (SP) bald die einzige Frau im Bundesrat sein.
Ob es so weit kommen wird, hängt auch davon ab, ob Doris Leuthard als Erste zurücktritt. Oder ob ihr Johann Schneider-Ammann (FDP) zuvorkommt. In diesem Fall wäre der Druck auf die Freisinnigen gross, mindestens eine Frau ins Rennen zu schicken oder gar ein reines Frauenticket aufzustellen. Ein solches fordern nicht nur die Linken, sondern auch die FDP-Frauen.
«Einen CVP-Mann zu wählen, kommt nicht in Frage.»
Erfolgt Leuthards Rücktritt zuerst, steht dagegen die CVP im Fokus. SP-Politiker wie Nationalrat Cédric Wermuth sagen bereits heute: «Einen CVP-Mann zu wählen, kommt für mich nicht in Frage.» Die bürgerlichen Parteien stünden in der Verantwortung, ebenfalls Frauen zu portieren. «Dazu braucht es reine Frauentickets – auch bei der CVP.»
Die CVP dürfte Wermuths Forderung kaum nachkommen. Doch die Frage stellt sich, wie gut die Parteien im Bezug auf potenzielle Kandidatinnen aufgestellt sind. Bei der FDP scheint der Fall relativ klar: Die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter gilt als kompetente und dossierfeste Kandidatin, die als ehemalige Regierungsrätin auch die nötige Führungserfahrung mitbringen würde. Zudem kommt sie aus der Ostschweiz, die momentan im Bundesrat unterrepräsentiert ist. Bei ihr stellt sich allerdings die Frage, ob sie an einer Kandidatur überhaupt interessiert ist. Die St. Gallerin liess sich bereits 2010 für den Bundesrat aufstellen, verlor aber gegen Johann Schneider-Ammann.
Den damaligen Nachteil, als Regierungsrätin nicht im Parlament zu sitzen, hat sie heute nicht mehr. Allerdings gilt sie als rechtsliberal, was sie für einige Linke unwählbar macht. Zum Nachteil könnte ihr auch gereichen, dass sie als distanziert gilt. Doch Bundesratswahlen sind ein Stück weit immer auch Persönlichkeitswahlen.
«Man muss der Frauenfrage nicht alles unterordnen»
Und abgesehen von Keller-Sutter? «Da kommt erst einmal lange nichts», formuliert es ein CVP-Politiker. Andere sehen in Parteipräsidentin Petra Gössi eine fähige Kandidatin oder in der Zürcher Regierungsrätin Carmen Walker Späh. Gössi selber meint, die Frage nach einer Kandidatur stelle sich für sie momentan nicht. «Ich habe eben erst das Präsidium übernommen.» Mit der Formulierung behält sich Gössi allerdings offen, ihre Meinung später noch zu ändern. Schwieriger präsentiert sich die Situation für Walker Späh. Wie die jüngsten Wahlen erneut zeigten, haben es Aussenstehende in Bern schwer.
Video: Politbüro
Der letzte Tagi-Talk zur Bundesratswahl. (Video: Lea Koch)
Wie wahrscheinlich ein reines FDP-Frauenticket überhaupt ist, bleibt offen. Gössi rechnet damit, dass mindestens eine Frau aufgestellt wird. Aber: «Man muss der Frauenfrage nicht alles unterordnen. Wichtig ist, dass die am besten geeignete Person nominiert wird.»
Keine Favoritin in Sicht
Anders sieht die Ausgangslage bei der CVP aus. Die Partei hat nur einen Sitz zu besetzen. Die Formel «Eine Frau, ein Mann» ist somit nicht anwendbar. Zudem gelten eine Reihe von CVP-Männern als valable und starke Kandidaten. Oft genannt werden etwa die Ständeräte Konrad Graber und Stefan Engler, deren Auftreten gerne mit dem Attribut «staatsmännisch» beschrieben wird.
Bei den Frauen hingegen fehlen klare Favoritinnen. Eine CVP-Nationalrätin findet gar, im Parlament sei «eine zweite Doris Leuthard nicht in Sicht». (Anders sehe dies bei den Regierungsrätinnen aus, schiebt sie nach, und erwähnt die Zürcher Regierungsrätin Silvia Steiner). Innerhalb des Parlaments noch am meisten genannt werden die Walliser Nationalrätin Viola Amherd und die Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli-Koller.
Amherd verfügt als ehemalige Stadtpräsidentin von Brig-Glis über Führungserfahrung und amtet zudem als Vize-Fraktionspräsidentin. Häberli-Koller wird ihre langjährige Erfahrung als National- und Ständerätin zugute gehalten. Die Beschreibung der beiden Frauen – Amherd gilt als «aufrichtig und gerade», Häberli-Koller als «ernsthaft und pflichtbewusst» – deutet aber an, dass die Frauen in der Einschätzung der Parlamentarier kaum mit den potenziellen Männerkandidaten mithalten können.
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