29-Jährige erstickte vor ihren AugenFreispruch für Basler Gefängnisaufseher
2018 verstarb eine 29-Jährige im Untersuchungsgefängnis Waaghof. Das Gericht fällte am Freitag sein Urteil gegen vier Angestellte des Gefängnisses.

Nach 15 Minuten führten Gefängnisaufseher die ersten Wiederbelebungsmassnahmen nach einem entdeckten Suizidversuch durch. Davor lag die 29-jährige Frau aus Sri Lanka bewusstlos, erst halb nackt, dann vollständig entkleidet in der Ecke einer videoüberwachten Zelle im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof.
Bei der Frau handelt es sich um eine Asylsuchende, die seit der Ankunft im Waaghof emotional sehr aufgewühlt war. Wenige Stunden nach dem Suizidversuch der Frau traf ein Schreiben aus Bundesbern ein. Die Frau wäre noch am selben Tag freigelassen worden, es gab keine rechtliche Grundlage für die Festhaltung.
Die Frau hatte sich im Juni 2018 in der Zelle mithilfe eines Traineroberteils erhängt. Gefängnisaufseher schnitten sie zwar sofort nach der Entdeckung des Vorfalls los, unternahmen danach jedoch sehr lange nichts. Sie seien davon ausgegangen, die Frau spiele ihnen ein Theater vor, verteidigten sie sich vor Gericht.
Eine zentrale Frage, die das Gericht beurteilen musste, war, ob die Frau den Suizidversuch überlebt hätte, wenn die Beschuldigten rasch und halbwegs kompetent reagiert hätten. Die Verteidigung berief sich zudem darauf, dass nicht klar sei, ob die Frau bei ihrem Suizidversuch urteilsfähig gewesen sei. Falls ja, sei den Beschuldigten keine Schuld am Tod der Frau zu geben.
Am Freitagmorgen verkündete das Strafgericht Basel-Stadt sein Urteil: Sie wurden von der Anklage wegen fahrlässiger Tötung durch unterlassene Hilfeleistung und Aussetzung freigesprochen. Ihnen wurden Teile der Prozesskosten auferlegt.
Der Freispruch erfolge aufgrund fehlender Kausalität. Es sei nicht klar, ob die Frau überlebt hätte, wenn die Gefängnisaufseher richtig reagiert hätten. Für die Erfüllung der Kausalität müsse man das aber mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen können. Der vor Gericht geladene Forensiker, der die Leiche untersucht hatte, konnte nicht sagen, dass diese hohe Wahrscheinlichkeit gegeben war. Er sprach von einer «Chance», alles andere sei aber zu spekulativ. Die Sorgfaltspflichtverletzung durch die Gefängnisaufseher erachtete das Gericht aber als erfüllt.
Völlig unabhängig vom Prozess und vom Urteil: «Das, was hier passiert ist, darf nicht passieren», sagte der vorsitzende Richter. Es sei ein Versagen des ganzen Strafverfolgungssystems. «Aber unsere Aufgabe ist es, die Anklageschrift und die Vorwürfe anzuschauen und das zu beurteilen. Und die angeklagten Punkte werden hier nicht erfüllt.»
Situation falsch eingeschätzt
Bei den von den Angestellten erstellten Berichten über den Vorfall lasse sich klar sehen, dass diese Berichte geschönt verfasst worden seien, weil man etwas habe vertuschen wollen, so der Richter. Weil man gewusst habe, wie viel in dieser Situation falsch gemacht worden sei.
Die Angestellten seien davon ausgegangen, dass die Frau alles vorspiele. Auf die Idee, dass sie bewusstlos sei, seien die Gefängnisaufseher nicht gekommen, führte der Richter aus.
«Das Problem war nicht, dass Sie überfordert und unter Stress waren oder dass Sie zu wenig ausgebildet wurden. Sie haben einfach die Situation falsch eingeschätzt und sich aufgrund dessen entschlossen, nichts zu tun», kritisierte der Richter. «Man verlangte keinen Luftröhrenschnitt von Ihnen, sondern die Basics, und die muss man auch erwarten können», sagte er zu den Gefängnisaufsehern und dem ebenfalls freigesprochenen Kadermitarbeiter.
An der Berufsqualität der betreffenden Angestellten sei jedoch nicht zu zweifeln, sagte der Richter in der mündlichen Urteilsbegründung. Er appellierte an das Justiz- und Sicherheitsdepartement, dass ihnen nicht gekündet werden solle, weil sie aus dem ganzen Prozess auch «maximal gelernt haben».
Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.
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