Freispruch vor Obergericht – weil Drohung zu unrealistisch war
Ungewöhnlich scharfe Kritik musste eine Staatsanwältin vor Gericht einstecken. Daran lag es aber nicht, dass es den wegen Drohung und Stalking angeklagten Banker freisprach.

Es gehört zum Standardrepertoire eines Verteidigers, sich vor Gericht darüber zu beklagen, dass die Anklagebehörde die Strafuntersuchung nicht fair geführt hat. Dazu gehört üblicherweise auch die Klage über die Verletzung des Anklageprinzips, dass also der Beschuldigte nicht exakt weiss, gegen welche Vorwürfe er sich verteidigen muss.
Im aktuellen Fall hatte sich das Obergericht mit einem zur Tatzeit 65-jährigen, ehemaligen Banker zu befassen, der einer 25-jährigen Fachfrau Gesundheit nachgestellt haben soll. In seinem Plädoyer zog nun der Verteidiger in einer Art vom Leder, wie sie in der oft nüchternen Atmosphäre eines Gerichtssaals selten zu hören ist.
«Raffiniert ein Strafverfahren eingebrockt»
Alle bekamen ihr Fett weg – das angebliche Opfer, die Staatsanwältin, das vorinstanzliche Gericht. Bei der Strafanzeige der Frau handle es sich um eine Intrige. Mit einer «perfiden, lügenhaften und konstruierten Strafanzeige» habe sie dem ehemaligen Banker «in raffinierter Weise ein Strafverfahren eingebrockt».
Die Staatsanwältin bezichtigte er einer «groben Voreingenommenheit». Er sprach von «massiver Willkür» und einem «grob gesetzwidrigen Verfahren», bei dem fundamentale Rechte des Beschuldigten krass missachtet, ja «mit Füssen getreten» worden seien. Auf der Basis von «nebulösen Aussagen» habe es eine «dünne Anklage» gegeben.
Belästigungen waren zu wenig intensiv
Das für den Fall zuerst zuständige Bezirksgericht habe die vorhandenen Beweise in einer Art gewürdigt, die «nicht nachvollziehbar, ja abwegig» sei. Das Gericht habe die Intrige des angeblichen Opfers nicht durchschaut. Es sei durch die Frau und die Staatsanwältin, die seinem Mandanten «grobes Unrecht» angetan hätten, «in die Irre geführt» worden.
Dabei hatte bereits dieses Bezirksgericht den ehemaligen Banker, der seit vielen Jahren als Hausmann im Wesentlichen vom sechsstelligen Einkommen seiner Ehefrau lebt, vom Vorwurf der versuchten Nötigung, begangen durch Stalking, freigesprochen. Die Fachfrau Gesundheit hatte zwar ihre Telefonnummer ändern müssen, weil er sie während dreier Monate praktisch täglich via SMS, Whatsapp, Facebook, E-Mail oder Telefon zu kontaktieren versuchte, sie hatte einen anderen Arbeitsweg gewählt, weil er ihr abpasste, sie hatte zeitweise bei einer Freundin übernachtet und um ihre berufliche Zukunft gefürchtet. Doch bereits für das Bezirksgericht «wurde aufgrund der Anzahl der Nachrichten und der zeitlichen Dauer der Belästigung das üblicherweise geduldete Mass noch nicht derart deutlich überschritten», dass dies als Nötigung qualifiziert werden könne.
Drohung und üble Nachrede
Verurteilt wurde der Mann vom Bezirksgericht allerdings wegen Drohung und wegen mehrfacher übler Nachrede. So soll der 65-Jährige gegenüber der jungen Frau gedroht haben, einer Drittperson die Zähne auszuschlagen, sollte er dieser dereinst in einem bestimmten osteuropäischen Land begegnen. Zudem soll er der Personalverantwortlichen und Betriebsleiterin des Pflegeheims, für welches die Frau arbeitete, unter anderem erzählt haben, die Frau gehe bis in den Morgen in den Ausgang und komme dann direkt zur Arbeit. Den Patienten verabreiche sie falsche Medikamente.
Laut dem Verteidiger, der vor Obergericht die Verurteilungen anfocht und einen Freispruch forderte, gibt es keinen Beweis, dass die Drohung gegenüber der Drittperson gefallen ist. Der Verteidiger hatte auch die – irrige – Auffassung vertreten, es sei keine Drohung, wenn einer Drittperson ein schwerer Nachteil in Aussicht gestellt werde.
Auch die üble Nachrede wurde bestritten. Denn die angeblich ehrenrührigen Informationen, die sein Mandant weitergegeben habe, habe er von der jungen Frau selber erzählt bekommen. Er habe das Pflegeheim nur auf «konkrete Anhaltspunkte für Missstände» hinweisen wollen. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er damit ein schlechtes Licht auf die junge Frau werfe.
Von allen Punkten freigesprochen
Das Obergericht sprach den ehemaligen Banker tatsächlich frei – allerdings mit Argumenten, die nichts mit dem Plädoyer des Verteidigers zu tun hatten. Für eine Verurteilung wegen Drohung sei es nicht nötig, dass die Äusserung, die tatsächlich gefallen sei, ernst gemeint sei. Sie müsse aber vom Bedrohten ernst genommen werden. Genau davon aber könne man nicht ausgehen. Es sei unwahrscheinlich, dass die Schlägerei tatsächlich in jenem osteuropäischen Land hätte stattfinden können. Denn alle Beteiligten hätten ihren Wohnsitz in der Schweiz.
Auch der Vorwurf der mehrfachen üblen Nachrede fiel aus rechtlichen Gründen in sich zusammen. Die gegenüber der Personalverantwortlichen und der Betriebsleiterin gemachten Äusserungen hätten nur die berufliche Ehre betroffen. Diese geniesst aber keinen strafrechtlichen Schutz. Mit den Behauptungen sei die Geltung, ein ehrbarer Mensch zu sein, nicht herabgesetzt worden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch