Frisieren für den Wahlkampf
Nicola Forster musste dringend zum Coiffeur. Schliesslich will der Grünliberale in den Nationalrat. Wie ihm Frisur und Fliege dabei helfen, politische Inhalte zu transportieren.

Nur ganz kurz – nicht das Haar, die Vorgeschichte. Dem Bellevue wollte bei der Betrachtung des Politbetriebs in Bern partout keine extravagante Politikerfrisur auffallen. Nicola Forster, viele schwarze Locken, fühlte sich übersehen. «Ich muss wohl noch an meiner Bekanntheit arbeiten», schrieb er auf Instagram. Wir luden den Grünliberalen zum Coiffeurbesuch, wenn er uns im Gegenzug einige Beautygeheimnisse verrät.
Jetzt sitzt der Politiker mit dem Anspruch, eine extravagante Frisur zu tragen, auf einem Coiffeurstuhl in einem kleinen Salon im Kreis 3. Und weil ein Alleinstellungsmerkmal nicht reicht, hat Nicola Forster zwei. Er ist nicht nur der Mann mit der Frisur, sondern auch der Mann mit der Fliege. Typisch Politiker, wiegelt der 34-Jährige erst einmal ab. «Ich möchte präzisieren», sagt er. Seine Frisur sei für den Politikbetrieb extravagant – im Vergleich zu den Haarschnitten mancher Fussballer, im Speziellen den (Nicht-)Haarschnitten der kolumbianischen Frisurenlegenden Higuita, Valderrama und Alvarez, sieht sich Forster «nur» als einen extravagant frisierten Ministranten. Der sich das Haar mit einem speziellen Lockenshampoo aus New York wäscht, das er sich jeweils mitbringen lässt. In New York lebte Forster zwei Jahre und besuchte dort jeweils einen Salon, der sich auf Locken spezialisiert hat. Und dieses fantastische Shampoo herstelle.
Er hat schnell gemerkt, dass seine Fliege hilft, erkennbar und unterscheidbar zu sein.
Forster, ein eitler Kerl? Mindestens einer, der sehr bewusst mit Äusserlichkeiten umgeht. Er habe schnell gemerkt, damals schon, als er den Thinktank Foraus aufgebaut habe, dass seine Fliege helfe, erkennbar und unterscheidbar zu sein. Ihm gehe es darum, über seinen Stil eine Botschaft zu transportieren: «Ich bin kein traditioneller Politiker.» Keiner, der dem gesamtschweizerischen Durchschnitt entspricht. Keiner mit grauem Anzug, gestreifter Krawatte, adrettem Scheitel. Eher einer wie Micheline Calmy-Rey oder Eveline Widmer-Schlumpf, deren Haarschnitte ebenfalls immer wieder Thema waren.

Forster titelt seine Kampagne «Fliege nach Bern». Coiffeure werden ihn hoffentlich wählen – er ist der Traum einer ganzen Branche. So viel zu schneiden! Und erst die Vorstellung, ihm mit der Maschine einen Millimeterschnitt zu verpassen … Wunschtraum. Denn Forster will auch als Frisur nach Bern, die markante Silhouette dient ihm als Logo. Seine Chance auf einen Sitz im Nationalrat sieht er bei 50 Prozent, seinen Einsatz derzeit beziffert er mit 100 Prozent. «Der Wahlkampf vereinnahmt total», alles andere sei in den Hintergrund getreten.
300'000 Franken müssen reichen
Er, der nicht als Politiker gelten will, ist nun 100 Prozent Politiker. Es sei unmöglich, sich dem zu entziehen, weil ein Wahlkampf so vieles mit sich bringe, «an das man vorher nicht denkt». Die Politik sei eine Maschinerie, die bei der kleinsten Unaufmerksamkeit auch gleich die Inhalte, «eigentlich das Wichtigste», verschlinge. Die Grünliberalen müssen eine eher kleine Maschine am Laufen halten: 300'000 Franken stehen ihnen zur Verfügung. Da gilt es, sparsam mit den Mitteln umzugehen, raffiniert zu kommunizieren – und die eigenen Fans auf den sozialen Medien abstimmen zu lassen, ob Nicola Forster den Tagi zum Coiffeur mitnehmen soll. Verdikt: eindeutig ja.

Am Boden liegt nach einer halben Stunde Plauderei und Schneiderei ein ordentlicher Haufen Locken, jetzt müssen die Haare gewaschen werden. Beinahe wären bei diesem Coiffeurbesuch die Inhalte ebenfalls vergessen gegangen. Nur beinahe:
Nicola Forster, nass oder trocken rasieren?
Nass. Nur Locken schneidet man trocken.
Föhnen oder Lufttrocknen?
Lufttrocknen.
Immer?
Immer, ausser im Winter, wenns aufs Velo geht.
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