Fruchtbarer Feuerspeier
Der Ätna ist Siziliens Touristenmagnet Nummer 1. An den Hängen des Vulkans gedeiht ausgezeichneter Wein, und auch das Gemüse schmeckt besser.

Die Sizilianer verehren ihren Vulkan mehr, als dass sie ihn fürchten. «Als ich sechs Jahre in Mailand war, hat mir der Ätna mehr gefehlt als das Meer», sagt Alessandra, die in Paternò am Südhang des Vulkans aufgewachsen ist. «Es ist seltsam, der Vulkan gibt einem eine unheimliche Kraft.»
An manchen Tagen sieht man den orangeroten Kraterrand, manchmal das Feuerwerk der hochfliegenden Lava, und manchmal liegt er einfach nur schneebedeckt da und macht gar nichts. Spricht man mit den Bewohnern der Städte und Dörfer rund um den Ätna-Park, so loben sie durchwegs die Fruchtbarkeit der Erde. Alles, was auf dem mineralischen Boden wächst, schmecke besser als anderswo: das Gemüse, die Zitrusfrüchte, die Nüsse, die Pistazien, die Feigen, der Wein. Auberginen und Blumenkohl haben durch die Lavaerde eine veränderte Farbe, der Blumenkohl ist lila.
Genug Zeit für Evakuation
Doch der Ätna zeigt zwei Gesichter. 2002 zerstörte die letzte grosse Eruption den Lift und zahlreiche Gebäude der Skistation Piano Provenzale auf 1800 Meter über Meer. Die Strasse und Teile der Skistation wurden wiederaufgebaut, doch die schwarze Schneise der Zerstörung ist immer noch gut sichtbar.
Weil der Gipfel des Ätnas heute von Wolken umhüllt ist, geht es für uns nur bis zu einem der 300 Nebenkrater, die sich entlang von Rissen im Hang gebildet haben. Wir wandern auf knirschenden Lavakörnern und bewundern die Farbkontraste zwischen den Birken, Pinien und Pioniergräsern und der schwarzen Lava. Auch für den Vulkanologen Robert Caudullo ist der Ätna ein guter Vulkan. Unter Obhut seiner Agentur Vulcanotrek gelangen Touristen bis hoch an den Kraterrand. Caudullo gibt zu bedenken, dass der Berg mit 3323 Metern der höchste aktive Vulkan Europas ist, und dass Lava sich träge, mit nur einer Geschwindigkeit von drei bis vier Kilometern pro Stunde bewegt. «Bis der Lavastrom die ersten Dörfer unterhalb des Parks erreicht, vergeht Zeit.» Im Notfall könnten die Menschen rechtzeitig evakuiert werden. Das nationale geophysische und vulkanologische Institut (INGV) beobachte den Vulkan von über 100 Stationen aus. Die Vulkanologen haben Gefahrenkarten erstellt, die mögliche Wege neuer Lavaströme für Flankeneruptionen oder Ausbrüche im Gipfelbereich anzeigen. Die Bewohner am Fusse des Vulkans haben sich mit der Gefahr arrangiert. Zumal viele von ihnen dank der spektakulären Eruptionen und Lavaströme Arbeit und Brot haben. Für Millionen von Touristen, die jährlich auf Sizilien Ferien machen, ist der Ätna die Attraktion Nummer 1.
Die Beschaffenheit der Lava ändert den Geschmack
Die fruchtbare Lavaerde kommt heute vor allem dem Weinbau zugute. Die Vulkanerde gebe den Weinen die ganz besondere Qualität, sagt die Winzerin Mariangela Cambria. Die Weine, die am Fusse des Ätna gedeihen, werden weit über Sizilien hinaus geschätzt, bestätigt der kalabrische Sommelier Alessandro Pugliese.
Mit Überzeugung empfiehlt er seinen Gästen im Luxushotel Belmond Villa Sant'Andrea in Taormina einheimische Tropfen. Und regelmässig schaut er bei den Winzern vorbei, die sorgsam die Reben am Vulkanmassiv hegen. Wer sich die Hänge zwischen den Dörfern unterhalb des Ätnas ansieht, erkennt, wie mühselig es ist, einen erkalteten Lavastrom in einen Rebberg zu verwandeln. Auch wenn sich in Zehntausenden von Jahren Erdreich gebildet hat, sind die Hänge noch immer übersät von grossen Basaltblöcken und Steinen. «Als mein Vater vor 20 Jahren die Weinberge anlegte, wollte er mit der Maschine Betonpfosten für die Drähte einschlagen», erzählt Winzerin Cambria. «Doch überall waren Felsblöcke im Untergrund, und die Maschine ging ständig kaputt. Schliesslich musste er alle Pfosten von Hand einschlagen.» Cottanera, das Weingut der Familie, ist mit 60 Hektar das grösste am Fusse des Ätnas. Mariangela und ihre Brüder bauen neben den einheimischen Sorten Nerello Mascalese und Carricante auch internationale Sorten wie den Syrah an. Das Weinanbaugebiet rund um den Ätna ist in 69 Distrikte eingeteilt, die anhand des Alters der Lavaschichten voneinander unterschieden werden. «Die Beschaffenheit der Lava verleiht den Weinen jeweils einen anderen Charakter», erklärt Mariangela Cambria.
Die Wände des Cottanera-Degustierraums sind mit Preisen und Urkunden übersät. Die eleganten Weissweine und körperreichen Rotweine werden in Italien für 25 bis 28 Euro pro Flasche verkauft. Ein Teil der 30 000 Flaschen, die auf Cottanera jedes Jahr produziert werden, finden über spezialisierte Händler auch zu Liebhabern in Deutschland und der Schweiz.
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Die Reise wurde unterstützt vom Belmond Grand Hotel Timeo und von der Belmond Villa Sant'Andrea, Taormina.
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