Film-Highlights der WocheFrüher war er im Gefängnis, heute erhält er Preise
Ein Dokumentarfilm zeigt, wie Harald Naegeli provoziert. Der neue Marvel-Film wirbelt Schauplätze durcheinander, und ein Märchen mischt Zeitebenen.

Harald Naegeli: Der Sprayer von Zürich
Dokumentarfilm von Nathalie David, CH/D 2021, 97 Min.
«Es hat meinen Ruhm begründet», sagt Harald Naegeli heute über seine Zeit im Gefängnis. 1984 sass er eine Strafe in der Anstalt Wauwilermoos ab; das Bezirksgericht Zürich hatte ihn wegen Sachbeschädigungen verurteilt. Der Künstler wurde zum bekanntesten Sprayer im deutschsprachigen Raum, gegen seine Haft demonstrierte unter anderem Joseph Beuys. Naegeli: «Wär ich nur Zeichner gewesen hier im Atelier, kein Hahn würde nach mir krähen.»
Regisseurin Nathalie David zeigt Naegeli als reflektierten, unterhaltsamen Interviewpartner. Aber auch als streitbaren Künstler – so schrieb er vor ein paar Jahren einen empörten Brief an die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, als die eine Schenkung von ihm ablehnte. Vor allem aber verblüfft, was für harsche Reaktionen Naegelis Schaffen immer wieder auslöst. Nicht nur in den Achtzigern. Als er 2018 den Auftrag erhält, im Grossmünster einen Totentanz zu sprayen, überwirft er sich mit dem damaligen Baudirektor Markus Kägi, weil er sich nicht an die Vorgaben hält. Die Schlösser werden sogar ausgewechselt, damit der Künstler nicht mehr in den Turm reinkommt. Und das, obwohl sich der Grossmünsterpfarrer für ihn einsetzt.
Aus dem Umgang mit den Strichfiguren lässt sich nicht zuletzt eine Lektion über politische Verwerfungen ziehen: Besprayt Naegeli Gebäude des Kantons, werden die für gewöhnlich schnell wieder gereinigt. Die Stadt dagegen lässt sie stehen. Und verleiht Naegeli schliesslich den Kunstpreis. (ggs)
Arthouse Piccadilly, Riffraff
Eternals
Superheldenfilm von Chloé Zhao, USA 2021, 157 Min.
Das Marvel-Universum erfindet sich neu. Nach den gewaltigen «Avengers»-Schlachten sind die Eternals, also die Ewigen, an der Reihe, ausserirdische Wesen, die sich seit 7000 Jahren auf der Erde aufhalten. Wo waren sie, als Bösewicht Thanos die Hälfte der Bevölkerung eliminierte? Auch diese Frage wird geklärt im Superheldenabenteuer, das unter anderem den Schöpfungsmythos auf den Kopf stellt.
Es gibt zehn neue Figuren in «Eternals». Dazu Schauplätze vom antiken Babylon bis zum modernen London, wild durcheinandergewirbelt. Das ist zu viel für einen einzigen Film, manchmal wirkt das Tempo unausgegoren. Langweilig wird es allerdings nie. Regie führte Chloé Zhao, Oscargewinnerin mit «Nomadland». Die grosse Marvel-Kiste inszeniert sie mit feinem Auge für Details und zahlreichen Gegenlichtaufnahmen. Die einzelnen Szenen sind dabei durchaus gelungen. Wie sich das Ganze aber ins Universum einfügt, muss sich noch weisen. (ml)
Abaton, Arena, Corso, Kosmos, Metropol
Petite maman
Märchen von Céline Sciamma, F 2021, 72 Min.
Mit «Portrait de la jeune fille en feu» hatte Regisseurin Céline Sciamma einen weltweiten Arthouse-Hit. Ihr neuer Film «Petite maman» erzählt eine intime Geschichte: Die kleine Nelly begegnet beim Spielen im Wald einem anderen Mädchen; die zwei freunden sich an. Nach und nach findet Nelly heraus, dass diese Marion in Wirklichkeit ihre eigene Mutter im Kindesalter ist. Es scheint, dass sich in diesem Wald die Zeitebenen überschneiden. So trifft Nelly auch ihre geliebte Grossmutter wieder, die in ihrer Zeit kürzlich verstorben ist.
Ein Märchen über die Beziehung zwischen den Generationen, von Sciamma einfach, aber einfallsreich inszeniert. Die Zwillingsschwestern Joséphine und Gabrielle Sanz in den Hauptrollen machen ihre Sache wunderbar. (ggs)
Arthouse Movie, Houdini
Reservation Dogs
Teenager-Serie von Sterlin Harjo und Taika Waititi, USA 2021, 8 Folgen
Bear ist ein 16-jähriger Wuschelkopf, der in einem Reservat in Oklahoma lebt und mit seinen Freunden die Clique der Reservation Dogs bildet. Wie die Crew in Quentin Tarantinos «Reservoir Dogs» sind Bear, Elora, Cheese und Willie Kriminelle. Statt Diamanten stehlen sie aber nur einen Laster voller Chips. Den Wagen verhökern sie beim Schrotthändler, die Snacks behalten sie. Win-win. Wie man es von Serien-Co-Erfinder Taika Waititi («Jojo Rabbit») kennt, ist «Reservation Dogs» durchzogen von einer charmanten, auch mal düsteren Situationskomik. Es ist aber vor allem der zweite Kopf des Serienduos, Sterlin Harjo, der dieses Projekt zu etwas Besonderem macht. Er stammt selbst aus Oklahoma, gehört zum indigenen Volk der Seminolen, genauso, wie auch der Grossteil des Casts und der Autorinnen und Autoren der Serie aus verschiedenen indigenen Völkern Amerikas stammt. (SZ)
Auf Disney+
Films for Future
Früher hiess es Nebenrolle Natur Filmfestival, jetzt läuft es zum zweiten Mal unter dem neuen Namen Films for Future. Die Themen sind Biodiversität, Klimagerechtigkeit oder alternative Landwirtschaft. Anschliessend an die Vorführungen gibts jeweils Gespräche und Diskussionen. Den Anfang macht «The Last Male on Earth». Die Doku erzählt von Sudan; das nördliche Breitmaulnashorn ist das letzte Männchen seiner Art. (ggs)
Fr 5.–So 28.11., films-for-future.org
«The Last Male on Earth»: Fr 5.11., 17.50 Uhr, Kosmos; im Anschluss Gespräch mit Franziska Schwarz (Bundesamt für Umwelt) und Tierfilmer Andreas Moser
Piedra sola
Drama von Alejandro Telémaco Tarraf, Arg 2020, 72 Min.
Dieser Film ist ein meditativer Trip: Im Hochland von Argentinien bedroht ein Puma eine Lamaherde. Der Bauer hält sich an die Tradition seiner Gemeinschaft und beginnt ein Ritual, um das Raubtier zu besänftigen. Regisseur Alejandro Telémaco Tarraf spielt mit dokumentarischen und fiktiven Elementen, gibt einen faszinierenden Einblick in die Welt der argentinischen Indigenen. Für die Vorführung am Sonntag kommt er nach Zürich und stellt sich den Fragen des Publikums. (ggs)
So 7.11., 12 Uhr, Xenix
Woman in Gold
Drama von Simon Curtis, USA 2015, 109 Min.
Im Gedenken an die Reichspogromnacht zeigt der Filmclub Seret «Woman in Gold». Helen Mirren spielt darin Maria Altmann, die Österreich auf die Herausgabe des Klimt-Gemäldes «Goldene Adele» und weiterer Bilder verklagte. Ihr Onkel hatte diese zurücklassen müssen, als er 1938 vor den Nazis ins Ausland flüchtete, jahrzehntelang hing es im Schloss Belvedere. Für die Vorführung ist eine Anmeldung auf ICZ.org erforderlich. (ggs)
Di 9.11., 19.30 Uhr, ICZ-Gemeindezentrum, Lavaterstr. 33
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