
Da ist er. Seine Partei hat ihn gewählt. Am Mittwoch soll er zum Premierminister gekürt werden. Boris Johnson wird der 55. Regierungschef in der Geschichte Grossbritanniens sein. Mit genau zwei Dritteln der Stimmen seiner Partei hat er zwar nicht ganz das Ergebnis seines Vorvorgängers und Eton-Mitschülers David Cameron erreicht, der es seinerzeit auf 68 Prozent brachte. Das wird ihn wurmen. Aber klar war das Ergebnis natürlich. Seine Parteifreunde liessen keinen Zweifel daran, wen sie in der Regierungszentrale sehen wollten in dieser bewegten Zeit.
Denn für viele britische Konservative ist Johnson der Einzige, der die schwer ins Trudeln gekommene Tory-Partei neu beleben, ihr frischen Mut einflössen könnte. Mit «Boris» glauben sie eine Chance zu haben gegen Nigel Farages Brexit-Trüppchen auf der Rechten sowie gegen Jeremy Corbyns Labour Party weiter links.
Mittlerweile schliesst selbst die vormals skeptische Unterhausfraktion der Tories die Reihen mit der rechtslastigen Parteibasis. Ob Johnson auch der ist, der sein Land «endlich» aus der EU führen wird, wie die Brexit-Hardliner es fordern, bleibt freilich die grosse Frage, die dieser Regierungswechsel aufwirft.
Im Unterhaus bröckelt die Regierungsmehrheit stetig vor sich hin.
Versprochen hat es «der Neue» ja. Am 31. Oktober soll mit der britischen Mitgliedschaft endlich Schluss sein – egal, was es kostet. Ausgetreten muss werden. Und zwar zu diesem Termin. Mit diesem Gelöbnis, das bei Bedarf einen «No Deal»-Brexit einschliesst, hat sich Johnson das lang ersehnte Amt verschafft.
Nun muss er sehen, wie er das bewerkstelligt. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Die Wirtschaftsprognosen für den «No Deal»-Fall werden immer düsterer. Und im Unterhaus bröckelt die Regierungsmehrheit stetig vor sich hin.
Schon nächste Woche dürfte bei einer Nachwahl ein weiterer Sitz verloren gehen. Danach würde es reichen, dass zwei Tory-Abgeordnete im Parlament die Seiten wechseln und für Johnsons Sturz stimmen. Eine ganze Reihe von Ministern hat sich ja schon von ihm abgesetzt.
Einige dieser «Rebellen» wollen heute, bevor sie in die Wüste geschickt werden, selbst noch zurücktreten. Das heisst zwar nicht, dass sie im Herbst auch einen Tory-Premier zu Fall bringen würden. Aber es ist ein gefährliches Zeichen für eine Johnson-Regierung.
Aus der Lage, in die er sich manövriert hat, gibt es keinen erkennbaren Ausweg.
Kein Wunder, dass der künftige Premier nun die «freundlichen Beziehungen» Britanniens zur EU beschwört und sich müht, ein paar Proeuropäer seiner Partei mitzuziehen. Misstrauisch beäugen ihn zugleich allerdings seine Brexiteers. Johnson ist ihre letzte Chance. Ohne ihn läuft nichts.
Nach seiner Wahl stritt Johnson noch ab, dass sich vor ihm ein «beängstigendes» Szenario auftue. Aber mit seiner rapide schrumpfenden parlamentarischen Basis und unter Druck von allen Seiten sieht es nicht gut aus für ihn. Gespannt darf man sein darauf, wie er sein neues Kabinett besetzt, wie er die Gewichte verteilt, wen er mit den schwersten Aufgaben betrauen möchte.
Einfach wird es für ihn nicht. Aus der Lage, in die er sich manövriert hat, gibt es keinen erkennbaren Ausweg. Mit der feierlichen Beschwörung von Willenskraft und Optimismus allein ist kein Staat zu machen. Da muss schon mehr, sehr viel mehr geschehen.
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Für Boris Johnson gibt es keinen erkennbaren Ausweg
Der neue Premier hat nur eine hauchdünne Regierungsmehrheit – und ist bereits von allen Seiten unter Druck.