
Das jährliche Wintertreffen der Weltelite aus Wirtschaft und Politik ist eröffnet. Doch wohl noch nie lag dieser Anlass derart quer zum politischen Zeitgeist. Schon immer gab es zum WEF Widerstand. Bisher kam er immer von den Rändern des politischen Spektrums, von linken Globalisierungskritikern sowie von den ärmeren Schichten aus den Schwellenländern.
In den reichen Ländern blieb die politische Grosswetterlage den Grundanliegen des WEF wohlgesonnen. Eine wirtschaftliche Öffnung bis hin zum freien grenzüberschreitenden Kapital- und Personenverkehr – Hyperglobalisierung wie das der Harvard-Ökonom Dani Rodrik nennt – galt als gute Sache. Zumindest unter dem Strich versprach das den Wohlstand aller zu fördern, so das Argument. Da schien es unnötig, die Verlierer dieser Entwicklung in den Vordergrund zu rücken. Alle nationalen und regionalen Befindlichkeiten und Ängste erschienen bei dieser Sichtweise als kleinkariert und rückwärtsgewandt.
Der «Davos-Mann», wie der bekannte Politikwissenschafter Samuel Huntington den Typus des WEF-Besuchers nannte, galt als Beispiel für Erfolg und Fortschritt und für die zunehmende Überwindung von nationalstaatlichen Grenzen. Er ist die personifizierte Globalisierung, und dafür wurde er lange gefeiert.
Damit ist es jetzt vorbei. Donald Trump, der neu gewählte Präsident der USA, steht wie kaum ein anderer für die Kehrtwende. Obwohl nicht in Davos anwesend, ist er dort präsenter als alle anderen der über 3000 Besucher, die hohen Staatsgäste eingeschlossen. Trumps Person, sein Programm und der Umstand, dass er gewählt wurde, zeigen, wie der Wind gedreht hat: Auch die Mittelschichten des reichen Westens wenden sich von den Leitideen des WEF ab, fühlen sich von der globalen Elite betrogen, weil sie die wirtschaftliche Öffnung der letzten Jahrzehnte vor allem als Bedrohung ihrer Lebensumstände wahrgenommen haben. Weil ihre Einkommen stagnierten, während jene Elite, die sich in Davos jährlich beglückwünscht, den grossen Reibach gemacht hat.
Bilder aus Davos – das WEF legt los:
Donald Trump ist gegen alles, was dem Davos-Mann wichtig ist. Statt Internationalisierung geht jetzt das nationale Eigeninteresse über alles. Während die Diversifizierung von Produktionsstätten über den Globus hinweg in Davos als selbstverständliche und gescheite Unternehmensstrategie akzeptiert ist, bestraft der werdende US-Präsident Firmen, die ihre Produktion nicht auf die USA konzentrieren – selbst ausländische, wie die Drohungen gegen BMW zeigen. Die Entwicklung in den USA hat eine überragende Bedeutung, weil das Land das Zentrum des Welthandelssystems darstellt, seine Währung dieses noch immer dominiert. Aber Trump ist nicht allein. Auch in anderen Ländern legen Parteien zu, die dem Davos-Mann und dessen Idealen den Kampf angesagt haben.
Gefahren zu spät erkannt
Klaus Schwab hat sich stets bemüht, die Veranstaltungen so transparent wie möglich zu gestalten. Er versuchte, auch die problematischen Seiten der ökonomischen Entwicklung miteinzubeziehen. Kritiker wurden nach Davos eingeladen. Aber das war immer nur Randprogramm, wurde nie wirklich ernst genommen.
Vieles deutet darauf hin, dass man beim WEF die Zeitenwende erkannt hat. Bis hin zu Schwab bemüht man sich, die Missstände und Nachteile einer übertriebenen Globalisierung und Öffnung klar zu benennen. In den Schriften klingt zuweilen unerwartet scharfe Kapitalismuskritik durch. Und kein Wort hat mehr Hochkonjunktur als das des inklusiven Wachstums – eine Wirtschaftsentwicklung, die möglichst alle einbezieht. Doch diese Schriften muten wie ein Versuch an, das Verpasste noch ganz schnell nachzuholen. Sie wirken wie das Eingeständnis, die Gefahren zu spät erkannt zu haben.
Und Gefahren bestehen. So berechtigt die Kritik am Davos-Mann immer war – das Pendel schwingt jetzt nicht nur zurück, hin zu einer wirtschaftlichen Offenheit, in der die Zielkonflikte zwischen nationaler Selbstbestimmung und globaler Wirtschaftseinbindung wieder mehr in Richtung Selbstbestimmung verschoben werden. Und in der die Sorgen der tatsächlichen und potenziellen Verlierer ernst genommen werden. Das Pendel schlägt vielmehr stark auf die andere Seite aus: in Richtung Abschottung, Protektionismus, engstirniger nationalistischer Egoismus.
Man würde dem WEF zu viel Bedeutung zumessen, würde man die Veranstaltung für die Geringschätzung der Probleme verantwortlich machen, die die Globalisierung mit sich gebracht hat. Daran waren die Eliten schuld. Aber das Weltwirtschaftsforum hätte die beste Plattform dafür geboten, diese Gefahren frühzeitig und angemessen zu thematisieren. Statt dem Glanz der Macht und dem ideologischen Sog der vorherrschenden politischen und ökonomischen Grosswetterlage zu erliegen.
Video – Start zum Eliten-Meeting in den Alpen:
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Für den Davos-Mann hat der Wind gedreht
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