«Für die Schweiz ist das Libyen-Problem erledigt»
Der ehemalige britische Botschafter in Tripolis, Oliver Miles, spricht im Exklusiv-Interview über unwahrscheinliche Angriffe mit Kampfjets, Ghadhafis Zukunft und das Verhältnis Libyen-Schweiz.
Das Ghadhafi-Regime geht brutal gegen das libysche Volk vor. Ist damit nicht die Voraussetzung gegeben für eine Intervention, so wie jener der Nato in Kosovo? Theoretisch ja, und der UNO-Sicherheitsrat hat das Problem erkannt. Laut letzten Schätzungen wurden in Libyen Hunderte Personen getötet. Das ist schrecklich, gemäss internationalen Massstäben aber nicht das schlimmstmögliche Desaster. Deshalb wäre eine Intervention nicht gerechtfertigt. Ich bezweifle zudem, dass die libysche Luftwaffe Zivilisten angegriffen hat. Wäre dies der Fall, wüssten wir viel mehr darüber. Und die Zahl der Opfer wäre weit höher.
Libyen galt lange als Schurkenstaat. Als Ghadhafi seinem angeblichen Atomprogramm abschwor, wurde er rehabilitiert. Was halten Sie von der Libyen-Politik des Westens? Ich verteidige sie, obwohl man zuweilen ein bisschen zu weit gegangen ist. Tony Blair hätte nicht nach Tripolis reisen müssen. Das hätte sein Aussenminister erledigen können. Aber auch Condoleezza Rice war dort, Silvio Berlusconi gar mehrmals, und Ghadhafi kam nach Paris. Mich ärgert nur, dass nun die USA, vor allem der Botschafter in London oder das «Wall Street Journal», Grossbritannien und Europa vorwerfen, sie seien verantwortlich für diese Politik. Tatsache ist, dass die USA mitmachten. George W. Bush reagierte äusserst zuvorkommend auf Ghadhafis Ankündigung, auf Massenvernichtungswaffen zu verzichten. Wir waren alle im selben Boot, die Schweiz ausgenommen.