Für Schachspieler gibts kein passendes Dopingmittel
Nach der sechsten Partie des – letzte Woche zu Ende gegangenen - Schach-WM-Titelkampfs in Bonn erschienen die Spieler Anand und Kramnik gestaffelt zur Pressekonferenz.
Der Inder und der Russe mussten sich einer Dopingkontrolle unterziehen, was das Thema «Schach und Doping» wieder in den Fokus medialer Aufmerksamkeit rückte, wenn auch nur kurz.
Als Erster äusserte sich in Bonn Ehrengast Anatoli Karpow in einem Interview zur Frage, ob Dopingkontrollen im Schach Sinn machen. «Das ist völliger Quatsch», sagte der ehemalige Weltmeister und schob den Grund nach, warum die Spieler mit diesem Unsinn konfrontiert sind: «Der Weltschachverband Fide will unbedingt, dass Schach olympisch wird. Wir sind aber keine Bewegungssportart. Aufputschmittel helfen einem Grossmeister nicht, bessere Denkleistungen zu bringen. Und olympisch werden wir, wie es aussieht, ebenfalls nicht.»
Der besonders sensible Grossmeister Robert Hübner griff die Frage im Sport-Blog der «Neuen Luzerner Zeitung» auf und bezeichnete solche Kontrollen als Schikane und Erniedrigung. «Zum Schachspielen», schrieb der einstige deutsche WM-Kandidat, «ist eine bestimmte Art von Denkkraft vonnöten.» Bis jetzt sei kein Mittel gefunden worden, diese Denkkraft künstlich zu steigern. Hübner selbst hatte sich aus dem deutschen Nationalteam zurückgezogen, als auf den Dopinglisten noch Koffein geführt wurde und man ein positives Resultat riskierte, wenn man bei einer stundenlangen Partie mehrere Tassen Kaffee trank.
Schach ist eine dopingfreie Zone
Inzwischen ist das Koffein wieder aus den Listen gestrichen und verschiedene Ärzte von Schachverbänden bestätigen Karpow und Hübner: Schach ist eine dopingfreie Zone, weil gar keine leistungsfördernden Substanzen bekannt sind. Ohnehin sind die Topspieler von heute brav geworden. Sie joggen, schwimmen oder spielen Tennis, um sich körperlich fit zu halten. Fast keiner raucht mehr, und auch Alkoholexzesse während Wettkämpfen gehören der Vergangenheit an. Dopingkontrollen könnten demnach auf internationaler Ebene getrost ad acta gelegt werden, wenn die Fide nicht ihrer Olympia-Illusion nachhinge.
Diesen Floh hatte der frühere IOK-Präsident Juan Antonio Samaranch dem heute noch amtierenden kalmückischen Fide-Präsidenten Kirsan Iljumschinow einst ins Ohr gesetzt. Und obwohl der jetzige IOK-Präsident Jacques Rogge grundsätzlich klarmachte, dass es keine neuen olympischen Sportarten mehr geben soll, widmet sich die Fide-Führung lieber solchen Träumereien, als ihren wahren Aufgaben nachzukommen. Auf Landesebene freilich bleiben Dopingkontrollen der Preis, den Schachverbände und ihre Spieler bezahlen müssen, damit sie von Subventionen profitieren können. So hatte sich auch der Schweizer Schachbund einem Dopingreglement unterzuordnen, als er 2000 in die Dachorganisation Swiss Olympic aufgenommen worden ist. Darüber mag man schmunzeln oder sich ärgern, angesichts der grossen Schwierigkeiten, an Sponsorengelder heranzukommen, zahlt man den Preis gern. Und einen Grossanlass, an dem sich alle vier Jahre mehr als 2000 Spieler aus über 150 Nationen treffen, hat die Schachszene schon lange selber. Sie heisst «Schacholympiade» und findet dieses Jahr ab dem 12. November in Dresden statt – bei Brötchen, Schokolade, Orangensaft, Tee oder Kaffee und Kuchen.
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