Gedankenfutter
Anthropologen fanden heraus, warum manche Primaten grössere Gehirne haben: Weil sie Obst essen!

Dass der Mensch ein schlauer Affe ist, hat Charles Darwin schon vor fast 250 Jahren erkannt. Warum die menschliche Spezies allerdings so intelligent werden musste, an dieser Frage beissen sich Biologen und Anthropologen noch immer die Zähne aus. Und immer wieder schauen sie dafür auf die nächsten Verwandten: Welcher Faktor in der Evolution der Primaten war denn entscheidend für mehr Grips?
Für eine endgültige Antwort wird die Wissenschaft noch ein paar kluge Forscherhirne verschleissen müssen. Doch wie eine aktuelle Analyse im Fachblatt Nature Ecology and Evolution zeigt, könnte sich ein Teil der Antwort im Speiseplan von Affen verbergen. Ein Team um den Anthropologen James Higham von der New York University hat Daten von mehr als 140 der insgesamt 400 bekannten Primatenspezies ausgewertet und dabei sowohl die arttypische Ernährung, als auch die sozialen Gefüge betrachtet, in denen die Tiere jeweils leben. Und aus dem Vergleich von Hirngrösse und Lebensweise schälte sich schliesslich ein entscheidender Faktor heraus: Früchte. Primaten, die sich von Obst statt nur von Blättern ernähren, haben demnach eindeutig die grössten Gehirne. Das Sozialleben der Tiere hatte dagegen keinen Einfluss auf die Grösse der Denkorgane.
Aus dem Vergleich von Hirngrösse und Lebensweise schält sich der entscheidende Faktor: Obst
Mit diesem Resultat dürfte die aktuelle Studie Schwung in einen alten Disput bringen. Anthropologen streiten nämlich seit Jahrzehnten über mindestens zwei Evolutions-Hypothesen des Gehirns. Die erste stützt sich auf die Biologie. Das Hirn ist nämlich ein ausnehmend hungriges Organ. Grösser kann es nur werden, wenn sein Besitzer auf etwas gehaltvollerem als auf grünen Blättern herumkaut. Also entscheiden Kalorienangebot und ein Talent für die Nahrungsauswahl über die Hirngrösse. Gestützt wird diese Erklärung unter anderem von der Koch-Hypothese des amerikanischen Primatenforschers Richard Wrangham. Erst die Fähigkeit, Nahrung zu garen und damit nahrhafter zu machen, soll dem Gehirn des Menschen den jüngsten Entwicklungsschub ermöglicht haben.
Der Mensch und seine nächsten Verwandten führen allerdings auch ein forderndes Sozialleben. Und so eine Existenz mit Hierarchien, Arbeitsteilung und komplexer Verständigung macht in der Evolution besonders Druck, denn um miteinander auszukommen, sind höhere Fähigkeiten wie Empathie oder Kooperation vonnöten. Je grösser die sozialen Gemeinschaften, in denen ein Säugetier sich durchzusetzen hat, desto grösser also sein Gehirn. So lautet die sogenannte Social-Brain-Hypothese des britischen Anthropologen Robin Dunbar. Die Erkenntnis, dass das Hirnvolumen bei Tieren mit der Gruppengrösse zunimmt, schien zuletzt eher für die Social-Brain-Hypothese zu sprechen.
Evolution des Gehirns
Das aktuelle Papier der New Yorker kehrt den Trend nun wieder um, denn Früchte bieten im Zusammenhang mit dem Gehirn gleich zweierlei: Sie enthalten reichlich Energie, können also auch ein grösseres Gehirn versorgen. Darüber hinaus fordern sie die jeweilige Affenart auch kognitiv stärker als der alleinige Verzehr von abgerupftem Grünzeug. Schalen müssen geknackt, Kerne entfernt, Bäume erklommen werden. Insofern könnten Früchte für die Evolution der Affen das gewesen sein, was das Kochen für die Evolution des Menschen war. Allerdings melden die Wissenschaftler selbst Zweifel an, wie weit die Schlüsse aus ihrer Arbeit reichen können. So sei die Gruppengrösse nur ein sehr grober Hinweis auf die Komplexität des Soziallebens. «Künftige Studien mit anspruchsvolleren Masszahlen für soziale Komplexität könnten die Social-Brain-Hypothese besser untermauern», schreiben die Forscher.
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