Gefährliche Gemütlichkeit
Im Wien-«Tatort» geht es um einen Überfall auf zwei Geldkuriere. Doch eigentlich dreht sich alles um die Verschlingungen einer Liebe.
Der Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und die Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) vom österreichischen Bundeskriminalamt sind froh, dass sie einander haben, und müssen es auch sein; und wenigstens der Eisner hat es der Fellner wieder einmal gesagt in der gestrigen Wiener «Tatort»-Folge «Her mit der Marie!» (es war Zeit, der Grant, wie sie in Wien die Übellaunigkeit nennen, nagte schon ein wenig an der Beziehung). Sie hat es umgekehrt aber auch angedeutet, mit Recht. Weil die beiden einander mehrmals «den Oasch gerettet» haben, wenn nicht gerade physisch, dann seelisch oder in disziplinarischen Angelegenheiten. Gestern; und über die Jahre sowieso.
Zwischen der Bibi und dem Moritz ist ja so etwas wie Familiarität entstanden, ein unausgelebtes gschlampertes Verhältnis vielleicht sogar und jedenfalls ein Band aus Geistesverwandtschaft und sich anziehenden Gegensätzen. Es ist um sie ein Raum des grundsätzlichen Gernhabens, darin hat auch Eisners Tochter ihr Plätzchen (die Claudia ist wieder da, trat aber gestern nur als Hintergrundgeräusch auf), manchmal der Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz), dessen Oasch dieses Mal fast nicht mehr zu retten war, und ab und an selbst der Oberst Rauter (Hubert Kramar), der die Verwarnungen erteilt. Und das ist doch der ruhende Charakterkern eines Wiener «Tatorts»: so eine grantlerische Gefühlswärme.
Das kriminelle und kriminalistische Geschehen drum herum war, nun ja, dramatisch unauffällig und ästhetisch von der Stange, wir sagen nur: Split-Screen, gottbehüte. Es handelte sich in «Her mit der Marie!» – mit dem Titel ist nicht eine Frau gemeint, sondern einfach Geld – um den Überfall auf zwei Geldkuriere des «Doktas», eines würdig gealterten Grosskriminellen, der seine Revenuen aus dem Bordellwesen bezog. Es kam einer zu Tode auf einem burgenländischen Feld, er musste sehr brachial entsorgt werden, und so was liess sich der Dokta nicht gefallen. Einesteils. Die Fellner und der Eisner haben dann einiges herausgebracht dank der DNA-Analyse, der Ballistik und des gesunden Menschenverstands, jedoch nicht alles. Das war anderenteils die Geschichte von den Mühen einer akribischen Fahndung. Und wären nicht zu den verbrecherischen Vorgängen die Verschlingungen einer Liebe gekommen, wärs tatsächlich ein bissel fad gewesen.
Die Wirren des Liebens gehörten aber schon wieder zur Stimmung, die diese «Tatorte» ausmacht. Sie fügten sich in die Melodie. Zur gefährlichen Gemütlichkeit, die Wiener Lieder singt. Zur Atmosphäre eines gegen alle Vorschriften gepflegten Haberertums (auch so ein schönes Wort, «Haberer», es kann viele Stufen bedeuten zwischen «Kumpan» und «Busenfreund»). Zur Melancholie des Schmähs. Deshalb war das doch sehr schön und hat uns sehr gefreut. Nur mit dem Inkasso-Heinzi gings traurig aus. Womöglich wird in Zukunft dunkle Schwermut auf ihm lasten.
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