Gefoltert, geschunden, geköpft
Welche Stationen ein Verurteilter in Zürich auf dem Weg zum Schafott durchlaufen musste.

«Endlich Luft! Drei Tage war ich in diesem feuchten Verlies ohne Fenster. Aufrecht sitzen konnte ich nicht. Der Henker hat mich stundenlang gefoltert. ‹Erleichtere dein Gewissen. Gestehe deine Schuld!› Die Schmerzen waren unerträglich. Da habe ich gestanden.»
Vielleicht waren dies die Gedanken eines Verurteilten, als er den finsteren Wellenbergturm verlassen konnte. Bis ins 19. Jahrhundert brachte die Zürcher Obrigkeit Verbrecher in diesen Turm mitten in der Limmat. Dort fanden auch Folterungen statt. Vorschriften über Art und Dauer der Verhöre gab es nicht. «Folter galt damals nicht als Strafe, sondern als Reinigung: Nur wer gestand, hatte eine Chance, in den Himmel zu gelangen», sagt Nicole Billeter.
Die Historikerin führt bei ihren Stadtrundgängen zu den Stationen der Todgeweihten auf ihrem Weg zum Schafott und schildert die Zustände im 16. und 17. Jahrhundert. «Es war eine brutale Zeit. Die Menschen rechneten gar nicht damit, alt zu werden. Ein Todesurteil hatte daher nicht denselben Stellenwert wie heute.» Mildernde Umstände kannte man damals nicht. Selbst Kinder wurden zum Tode verurteilt. Die Obrigkeit nutzte Hinrichtungen als sichtbares Zeichen dafür, dass sie in der Stadt für Recht und Ordnung sorgte. Die Bevölkerung musste am Tag einer Exekution sogar nicht zur Arbeit gehen, damit wirklich alle zusehen konnten.
Todesurteil innert 24 Stunden
Der Kleine Rat, ein politisches Gremium ähnlich dem heutigen Gemeinderat, sprach das Todesurteil aus und bestimmte die Art der Hinrichtung. Im Normalfall wurde das Urteil gemäss Billeter innert 24 Stunden nach der Festnahme gefällt. Schon ein einfacher Diebstahl wurde zu jener Zeit mit dem Tod geahndet. Als besonders verwerflich und hinterhältig galt jedoch ein Giftmord. «Weil sich die Opfer nicht verteidigen konnten. Wurde jemand erstochen, war das weniger schlimm», sagt Billeter.
«Menschen rechneten gar nicht damit, alt zu werden. Ein Todesurteil hatte daher nicht denselben Stellenwert wie heute.»
Starb ein Mann an einer Vergiftung, verdächtigte man die Ehefrau. Auch sonst hatten Frauen ein hartes Los. «Erhängen galt als unsittlich, weil man ihnen unter den Rock blicken könnte. Ihre Körper sollten bei einer Hinrichtung verschwinden, deshalb wurden sie lebendig begraben, ertränkt oder verbrannt», sagt Billeter. 80 Prozent der zum Tod Verurteilten seien jedoch Männer gewesen. Grausamkeiten liess man auch bei ihnen nicht aus. Bei besonders schweren Verbrechen wurden den Verurteilten auf dem Weg zum Schafott mit glühenden Zangen Fleischfetzen aus der Haut gerissen – und bis dorthin mussten sie mehrere Kilometer zurücklegen.
«Ich werde also geköpft. Vielleicht beerdigen sie mich danach vor der Friedhofsmauer und ich komme doch noch in den Himmel. Hoffentlich trifft der Henker gut.»
Den Schwerthieb präzise auszuführen, war schwierig, denn der Verurteilte sass oder kniete. Für Henker gab es laut Billeter keine schlimmere Schmach, als mehrmals zuschlagen zu müssen. «Deshalb übten sie viel an Ziegen.»
Die meisten Verurteilten wurden jedoch erhängt und dann unter dem Galgen verscharrt. Je nach Schweregrad des Verbrechens liess man den Leichnam danach am Galgen hängen, damit ihn die Raben auffressen konnten.
So gruselig dies alles klingen mag: Hinrichtungen waren alles andere als alltäglich. Insgesamt wurden in der Stadt Zürich gemäss Billeter 1226 Personen zum Tode verurteilt. Die letzte Hinrichtung fand 1865 statt – ein Mann aus Adliswil, der seine Kinder vergiftet hatte. «Er starb unter der Guillotine und dies bereits nicht mehr in der Öffentlichkeit, sondern hinter den Gefängnismauern.»
Das Friedhof Forum bietet den Stadtrundgang «Auf dem Weg zum Schafott» von Nicole Billeter am 5. April und 30. August 2017 an. Die Führungen können auch privat füg 1 bis 25 Personen gebucht werden. Informationen unter www.historisch.ch.
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