Gegen die elektronische ID formiert sich Widerstand
Private Firmen sollen die neue Identitätskarte herausgeben. Jetzt wehren sich Digitalaktivisten dagegen. Sie sammeln bereits Geld für ein Referendum.

Ironie der Geschichte: Der Bundesrat wollte die elektronische Identitätskarte aus Sicherheitsgründen, so sagte es die damalige Justizvorsteherin Simonetta Sommaruga noch im letzten Sommer. Die Digitalisierung verlange eine sichere Identifikation im Internet, die heutigen analogen Dokumente eigneten sich dafür nur bedingt.
Mit dem Sicherheitsargument wird nun aber die Vorlage bekämpft: Dass Private die neue elektronische Identitätskarte (E-ID) herausgeben sollen, wird als Risiko angesehen, da es sich um sensible Daten handelt, und letztlich als schädigend für die Demokratie. Dass der Staat mit Privaten kooperiere, sei ja wünschenswert, sagt Che Wagner von der Plattform Wecollect.ch. «Doch es gibt Bereiche, in denen Private den Staat nicht ersetzen können.»
Private Firmen hätten nicht das Vertrauen der Bürger, das bei so einer wichtigen Aufgabe unabdingbar sei. Und Digitalprozesse seien erwiesenermassen anfällig für Manipulationen. Wagner erinnert etwa an missglückte E-Voting-Versuche in Genf, als ein IT-Spezialist vorführte, wie einfach es sei, das Stimmergebnis zu beeinflussen.
Zudem: «Wenn der Bund sich bei der E-ID selbst ins Abseits befördert, indem er die Herausgabe delegiert, verbaut er sich die Zukunft der digitalen Demokratie. Denn die E-ID ist ein zentrales Element bei E-Government, E-Voting oder E-Collecting. Dass Private für diese wichtigen Leistungen längerfristig und zuverlässig aufkommen, ist undenkbar.»
Spenden für Meinungsumfrage
Che Wagner ist Projektleiter des Crowd-Lobbying bei Wecollect.ch, einer von Kampagnenexperte Daniel Graf gegründeten Plattform. Diese hat soeben eine Sammelaktion gestartet für eine repräsentative Meinungsumfrage, die sie gemeinsam mit der Digitalen Gesellschaft Schweiz und der Stiftung für Konsumentenschutz durchführen wird. «Wer will einen digitalen Schweizer Pass von der UBS, der Swisscom oder von der Post?», lautet die Frage. 3000 Franken hätte es für die Umfrage gebraucht, mehr als das Doppelte sei schon eingegangen, meldet Wagner 24 Stunden später.
Doch das Geld ist willkommen. Die Gegner mobilisieren bereits jetzt für ein Referendum für den Fall, dass das Parlament im Sinne des Bundesrats entscheiden wird. Der Nationalrat hat das Gesetz schon abgesegnet, die ständerätliche Rechtskommission ist ebenfalls im Grundsatz einverstanden. Der Antrag, die Herausgabe der E-ID nicht einfach dem Markt zu überlassen, sondern an konzessionierte Firmen zu delegieren, wurde diese Woche knapp abgelehnt, wie die Kommission mitteilte. Einen endgültigen Entscheid hat die Kommission allerdings noch nicht gefällt.
Firmen stehen schon lange bereit
Misstrauisch sind die Kritiker auch, weil zahlreiche Firmen als sogenannte Identity Provider schon länger in den Startlöchern sind. Die staatsnahen Betriebe SBB, Post und Swisscom haben dafür mit den grössten Banken und Versicherungen ein Konsortium gebildet – die Swiss Sign Group – mit dem Zweck, ein Herausgabeverfahren zu entwickeln. Dazu gehören UBS, Credit Suisse, Raiffeisen, ZKB, Six Group, Axa, Baloise, CSS, Helvetia, Mobiliar, Swiss Life, Vaudoise und Zurich.
Diese Firmen machten seit Jahren «hartes Lobbying» für die E-ID, sagt Che Wagner. Der Grund sei offensichtlich: Wer die Bürgerdaten für Identitätskarten bekomme, habe das grosse Los gezogen. Keine andere Institution würde über so umfassende Angaben zu den Bewohnern der Schweiz verfügen wie das Unternehmen, das die ID herausgibt. Dass dabei die Gefahr der Monopolisierung bestehe, sagte selbst Justizvorsteherin Karin Keller-Sutter bei der Beratung des Geschäfts im Nationalrat.
Einzelne Unternehmen oder auch Kantone und Städte bieten heute schon elektronische Identifizierungsmöglicheiten für ihre Kunden oder Bürger an. Die E-ID soll alle bisherigen Modelle wie Swiss ID, Suisse ID oder Swiss Pass ablösen. Die Daten der Bürger würden beim Bundesamt für Polizei gesammelt und aufbewahrt von einer neu zu schaffenden Stelle. Die Herausgeberfirma oder -firmen würden bei dieser Stelle rückfragen beziehungsweise kontrollieren, ob die Angaben der Person stimmen, die eine ID beantragt.
«Endlich vorwärtsmachen»
In der Ständeratskommission ist die Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten umstritten. Anders als im Nationalrat, wo das Modell mit grosser Mehrheit abgesegnet wurde. Er sehe kein Problem darin, sagt der Freiburger CVP-Ständerat Beat Vonlanthen. Das Problem sei eher, dass es nicht schnell genug vorwärtsgehen könnte.
Er habe kürzlich die baltischen Staaten besucht, und diese seien bezüglich Digitalisierung schon viel weiter als die Schweiz. Da werde kaum noch eine Steuererklärung analog ausgefüllt. Die Schweiz müsse endlich aktiv werden und dem Bürger diese Möglichkeit bieten. Und: «Das vom Bundesrat vorgesehene Anerkennungsverfahren ist sicher und schnell.»
SP-Ständerat Daniel Jositsch ist skeptisch. Die Herausgabe von Identitätskarten sollte seiner Meinung nach der Staat übernehmen oder wenigstens Firmen, die in einem Konzessionierungsverfahren ausgewählt wurden. Irgendwann werde wohl auch der Pass elektronisiert, sagt Jositsch.
Die Digitalisierung werde auch in anderen Bereichen vorangetrieben, weshalb das Modell für die E-ID womöglich wegweisend sei. Es handle sich um einen Grundsatzentscheid, der wohlüberlegt und nachhaltig vertretbar sein müsse. In den Augen von Beat Vonlanthen würde das Konzessionierungsverfahren, das Jositsch befürwortet, jedoch zu Verzögerungen führen.
Grüne und SP haben schon im Nationalrat Nein gesagt, mittlerweile sind auch SVP- und CVP-Vertreter skeptisch gegenüber der privat gedruckten ID. Deshalb wurde der Antrag für ein Konzessionierungsverfahren nur knapp abgelehnt, mit 5 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Che Wagner freut sich. «Die Sensibilisierung nimmt zu.»
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