Gegen die Seuche wetten
Premiere auf dem Kapitalmarkt: Grossanleger können Schuldscheine zeichnen, die bei einer Pandemie wertlos werden. Dafür winkt eine attraktive Rendite.

Der Ausbruch des Ebolafiebers vor drei Jahren in Westafrika hat deutlich gemacht, dass die Weltgemeinschaft auf ein solches Ereignis nur unzureichend vorbereitet ist. Es dauerte Monate, bis die erforderlichen Ressourcen zur Bekämpfung dieser hoch ansteckenden Krankheit bereitgestellt werden konnten. Dabei ist die rasche Reaktionsfähigkeit der Gesundheitsbehörden und -organisationen – vor allem der Zugriff auf finanzielle Mittel – ganz entscheidend für den Erfolg und die Wirksamkeit internationaler Hilfseinsätze.
Aus diesem Grund brachte die Weltbank im Mai 2016 einen Fonds für die Pandemie-Notfall-Finanzierung (Pandemic Emergency Financing Facility, PEF) auf den Weg. Damit soll sichergestellt werden, dass Entwicklungsländer und Hilfsorganisationen umgehend über Gelder verfügen können, um die rasche Ausbreitung infektiöser Krankheiten einzudämmen. Am Aufbau des PEF mitbeteiligt waren neben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch die beiden Rückversicherer Swiss Re und Munich Re.
Der PEF soll über ein Volumen von 500 Millionen Dollar verfügen. Er schliesst einerseits eine Deckungskapazität aus den Rückversicherungsmärkten ein. Anderseits wird der Fonds durch eine neue Gattung von Schuldscheinen – sogenannte Pandemie-Anleihen – finanziert. Gestern hat nun die Weltbank eine erste solche Anleihe mit dreijähriger Laufzeit im Gesamtumfang von rund 320 Millionen Dollar herausgegeben. Und dies mit Erfolg: Die Investoren gaben Gebote in doppelter Höhe ab. Mit der Zuteilung und Platzierung dieser Emission hatte die Weltbank die Swiss Re Capital Markets, eine US-Tochter des Zürcher Rückversicherers, betraut.
Sechs Viren abgedeckt
Pandemie-Anleihen funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie die seit den 1990er-Jahren im Markt verbreiteten Katastrophen-Bonds. Tritt eine vordefinierte Naturkatastrophe ein – zum Beispiel ein Hurrikan in den USA –, müssen die Zeichner der Schuldscheine mit dem teilweisen oder gänzlichen Verlust ihres Investments rechnen. Dieses Risiko wird mit einer mehr oder minder deutlich über den Marktzinsen liegenden Rendite abgegolten. Die Weltbank-Anleihe für die PEF deckt sechs Viren ab, von denen angenommen wird, dass sie länder- oder kontinenteübergreifend eine Krankheit verbreiten können.
Die eine Tranche der Anleihe – sie wirft einen Zinssatz von aktuell rund 8 Prozent ab (6,5 Prozentpunkte über dem sechsmonatigen US-Libor) – soll bei Pandemien zum Einsatz kommen, die zum Beispiel durch Influenza- und Sars-Erreger verursacht werden. Die andere Tranche – mit einem Zinssatz von derzeit rund 12,5 Prozent – bezieht sich auf den Ausbruch einer neuen Ebola-Epidemie sowie auf gewisse Fieberkrankheiten wie zum Beispiel Lassa-Fieber.
Anhand welcher Kriterien (im Fachjargon: «Trigger») wird nun bestimmt, ob die Weltbank die von ihr aufgenommenen Mittel für die Pandemiebekämpfung einsetzen darf – und die Investoren ihren Einsatz verlieren? Laut einer Mitteilung der Swiss Re kann auf die PEF-Finanzierung zugegriffen werden, sobald ein gewisser Infektionsgrad erreicht ist. Dieser bemisst sich unter anderem an der Zahl der Toten, am Tempo, mit dem sich die Krankheit verbreitet, ob diese auch Ländergrenzen überschreitet. Ausschlaggebend sind hierbei die öffentlich zugänglichen Statistiken der WHO.
Jeder Tag zählt
Mit ihrer ersten Pandemie-Anleihe hofft die Weltbank, den Grundstein für einen Markt für Risiken aus lebensgefährlichen und hoch ansteckende Krankheiten geschaffen zu haben. Bei den Katastrophen-Bonds ist ihr dies schon einmal gelungen: Die in Washington ansässige Organisation konnte inzwischen solche Schuldpapiere im Wert von 1,6 Milliarden Dollar auf dem Markt platzieren.
Kurzfristig zählt jedoch für die Weltbank, dass sie mit der Pandemie-Notfall-Finanzierung eine wichtige Lücke im internationalen Hilfsdispositiv schliessen konnte. Hätten die vom Ebola-Virus betroffenen Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone bereits im Juli 2014 und nicht erst im Oktober 100 Millionen Dollar zur Verfügung gehabt, hätte sich die Zahl der Toten auf 500 statt 5000 begrenzen lassen, wie die Weltbank ermittelte. Insgesamt infizierte das Virus 28'000 Menschen, von denen 11'000 starben.
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