Konkurrenz durch BilligsalonsGeht bei den Barbershops alles mit rechten Dingen zu?
Die neuen Herrencoiffeure sind günstiger als die traditionellen Geschäfte und werden immer zahlreicher. Ein SVP-Kantonsrat will nun wissen, ob dort alles korrekt abläuft.

Der Thalwiler Kantonsrat Marcel Suter (SVP) fragt sich: Wie können immer mehr junge Männer Barbershops an bester Lage eröffnen? Und für einen Haarschnitt bloss 25 bis 35 Franken verlangen? Denn viele gestandene Coiffeurbetriebe können da nicht mithalten und geraten unter Druck.
Allein an der Gotthardstrasse an seinem Wohnort zählt er mittlerweile drei Barbershops. Und Suter beobachtet, dass nach einem Boom in der Stadt Zürich diese Salons auch am linken und rechten Zürichseeufer wie die Bartstoppeln spriessen. Sie heissen Golden Coast Barber (Uetikon am See), Glaucio’s (Küsnacht) oder Niciro (Adliswil) und scheinen sich nicht in die Haare zu geraten – es kommen laufend neue dazu.
Darum hat Suter im Kantonsrat mit zwei Kollegen eine Anfrage an die Regierung verfasst. Sie wollen wissen, wie der Regierungsrat die Situation in der Branche beurteilt. Ausserdem soll geprüft werden, ob sich die Barbershops an die Regeln halten. Brancheninsider vermuten laut Suter Lohndumping, Schwarzarbeit und andere Verstösse gegen das Gesetz.
20 Minuten pro Haarschnitt
Den tiefen Preis können die Barbershops wegen des sogenannten Fade (Englisch für verblassen) anbieten. Gemeint ist der Übergang der Frisur. Sie beginnt mit einem Millimeterschnitt, der die Kopfhaut durchscheinen lässt, bis sich das Haar zur Höhe der Schläfe hin verdichtet und auf der Schädeldecke schliesslich drei, vier Zentimeter misst.
Es ist der Klassiker unter den Frisuren junger Männer, und die Barbershops sind die Frisurfabriken, die den Haarschnitt am Laufband liefern. Wer will, kann hier auch seinen Bart stutzen oder formen lassen.

Die Barber – so nennt man die Coiffeure hier – fräsen den Kunden in 15 bis 20 Minuten über die Köpfe, länger sitzen die wenigsten auf den drehbaren Lederstühlen. Die hohe Frequenz drückt den Preis. Und weil der Fade so schnell wieder herauswächst, kommen die jungen Kunden bald wieder.
Suter bezeichnet sich als Anhänger der Marktwirtschaft. Als solcher will der Präsident der SVP Bezirk Horgen nicht ausschliessen, dass sich die Barbershops den Wettbewerbsvorteil erarbeitet haben. «Auch McDonald’s- oder Starbucks-Filialen gibt es an jeder Ecke – das kann wirtschaftlich Sinn machen», sagt Suter.
Renas Hussein leidet unter der Konkurrenz. Er führt in Hombrechtikon einen Barbershop – kann allerdings nicht davon leben. «Ich habe noch einen Nebenjob als Taxifahrer, um meine Familie durchzubringen», sagt Hussein. Er würde lieber 50 statt 25 Franken pro Haarschnitt verlangen. Doch weil es Konkurrenten gibt, die 20 Franken verlangen, kann er nicht viel teurer sein.
Jeder zweite Betrieb fällt durch
In der Coiffeurbranche regelt ein Gesamtarbeitsvertrag die Anstellungsbedingungen in den Betrieben. Rund 260-mal im Jahr wird im Kanton kontrolliert, ob sich die Betriebe an die Regeln halten. Bei fast der Hälfte ist das nicht der Fall, sagt der Verein Paritätische Kommission für das schweizerische Coiffeurgewerbe (PK Coiffure). Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf demselben Niveau. Die häufigsten Verstösse: Die Mindestlöhne (3800 Franken) werden nicht eingehalten und Sozialversicherungen nicht bezahlt. «Bei vielen Betrieben fehlt das Know-how dafür. Die meisten besuchen nach den Kontrollen aber Kurse und wollen sich bessern», sagt Claudia Hablützel, Co-Leiterin der PK Coiffure, auf Anfrage. Welche der 2600 Friseursalons im Kanton gegen die Regeln verstiessen, sagt sie nicht.
Das wollen Kantonsrat Suter und seine Kollegen nun herausfinden. «Damit wir Fakten haben, um sachlich über die Barbershops zu diskutieren.» Suter hat nächste Woche einen Termin fürs Haarschneiden – allerdings nicht bei einem Barber. Bei so einem war er noch nie. Er geht zusammen mit seinem Sohn zur Coiffeuse seines Vertrauens.
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