
Köppel, Köppel, Köppel: So geht das nun wieder seit Tagen. Obwohl man dachte, das sei längst vorbei: Diese Faszination für einen Politiker, der mit seiner Zeitschrift Lärm zu machen versucht. Versucht: Denn längst gelingt es Köppel nicht mehr, Themen zu setzen, über die man spricht. Die Auflage seiner «Weltwoche» ist eingebrochen – von 77'800 Exemplaren im Jahr 2011 auf zuletzt 45'519. Es scheint, als hätte die kritische Masse verstanden, wie Köppels Geschäftsmodell funktioniert: Ein Journalismus, dem zwecks Aufmerksamkeitssteigerung alle Mittel recht sind, der die geschürte Erregung aber nur nutzt, um das eigene Selbst zu vergrössern. Eine andere Agenda gab und gibt es für Köppel nicht, was zwar konsequent, aber arg schlicht ist.
All das kann man nun aus dem Buch von Daniel Ryser herauslesen, einem mehrfach ausgezeichneten Journalisten, der mit seiner Köppel-Biografie seit Tagen der Branche den Puls vorgibt: Köppel, Köppel, Köppel. Dabei findet man die Formel, Köppel sei «brillant», nicht nur bei den von Ryser zitierten Journalisten, sondern auch in Interviews und Berichten über das Buch. Brillant, inwiefern? Weil er ein brillanter Selbstvergrösserer ist? Weil er während Nationalratssitzungen seine Editorials auf dem Laptop zusammenstoppelt? Alles schnell hingeworfenes Zeug, das die Mechanik der ewig gleichen Cliffhanger-Dramaturgie aufweist: Was «wagt» er als Nächstes? Wenn das brillanter Journalismus ist, dann wäre das einer, der keinen Unterschied macht zwischen öffentlichem Anspruch und dem Ausverkauf an eine Partei und die Interessen ihrer Geldgeber, zwischen Aufklärung und Ego-Kultur.
Wahrscheinlich halten wir angejahrten Buben den brutalen Stress einer Kontroverse nicht mehr aus.
Aber genau diese Verwischung und Unterschlagung von Gegensätzen ist das, was nun geschieht – nicht nur rund um Daniel Rysers Köppel-Biografie, sondern gerade dort, wo sich der Journalismus maximal aufregend gebärdet: Auftritt der geilen Sieche, die sich in Büchern, in Interviews und auf Twitter gegenseitig ihrer Relevanz, Brillanz oder Geilheit versichern, getreu der Devise: Nennst du mich Goethe, nenn ich dich Schiller. «Ein aus meiner Sicht sehr begabter Journalist, dem ich gleich ein Angebot machte, zu uns zu kommen», sagt etwa Roger Köppel über Daniel Ryser.
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Je grösser Köppels Erfolg, desto starrer seine Ansichten
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Auch sonst sind wir stark fasziniert voneinander. Ein wenig wirkt es so, als würden wir Journalisten-Jungs nochmals Cowboy und Indianer spielen. Nur macht man nicht mehr Jagd aufeinander, sondern ist ein wenig verknallt. Wahrscheinlich halten wir angejahrten Buben den brutalen Stress einer Kontroverse nicht mehr aus. Die wesentlich cooleren Journalistinnen würden das wohl schaffen. Aber die dürfen nicht mitspielen, denn Journalismus ist das Geschäft der Machos. Das lernt man zumindest aus Rysers Köppel-Biografie, die ja auch ein Stück Mediengeschichte dokumentiert.
Besonders schwer «in love» sind wir mit dem Onlinemagazin «Republik», das den Journalismus und damit auch die Demokratie retten will, was ein Herzensprojekt von uns allen ist. Aber im postpubertären Hormonrausch fragt niemand, ob das Produkt seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird – und woher etwa die halbe Million Franken stammt, die das Projekt nach eigener Angabe für sein Feuilleton hauptsächlich von Stiftungen erhalten hat. Was sind das für Stiftungen? Welche Ziele verfolgen sie? War es nicht die Frage nach den Geldgebern, die man der «Weltwoche» stellte?
Neuerdings ist alles einerlei, wenn man die Möglichkeit hat, gross mitzuspielen. Auf der Strecke bleibt ein Journalismus, der die Differenz zwischen Aufmerksamkeitssteigerung für Aufklärung und der Expansion des eigenen Egos kennt – und der genau deshalb einen Unterschied macht.
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Geili Sieche, die keinen Unterschied mehr machen
Neuerdings sind Journalisten total begeistert voneinander. Etwa vom «brillanten» Roger Köppel. Damit steht einiges auf dem Spiel.