Geschöntes Bild der Diplomatie
In einer Serie zeigt SRF, wie fünf junge Leute in den diplomatischen Dienst einsteigen – und lässt dabei einiges aus.

«Diplomatie ist in der Schweiz nicht besonders beliebt. Man kennt uns wenig», sagt Jacques Pitteloud, Leiter der Direktion Ressourcen im Aussendepartement. Die SRF-Serie «Die jungen Diplomaten» zeigt nun fünf Menschen, die in diesen Beruf einsteigen wollen. Zwei Jahre dauert die Ausbildung. Ein Teil wird in der Schweiz, ein Teil im Ausland absolviert.
Der Trailer wirkt mit der an «House of Cards» angelehnten Musik etwas platt, ansonsten werden gleich zu Beginn Vorurteile ausgeräumt: Jonas Belina (37) hat Physik und Philosophie studiert, Jean-Baptiste Délèze (35) Geschichte und Literatur. Man kann also auch ohne die Fächer Politikwissenschaften oder Internationale Beziehungen in die Ausbildung aufgenommen werden.
Doch gleich zu Beginn patzt Délèze, er erscheint zu spät zum Fototermin, der vor dem Etikettenkurs stattfindet. Nach Ausreden kanns losgehen, der Kurs ist einer von vielen, in denen das diplomatische Handwerk gelehrt wird. Wie benimmt man sich im diplomatischen Umfeld, wie schüttelt man Hände, was zieht man an? Cristina Verones (35) hat Mühe, sich mit dem Dresscode zu arrangieren. Sie trägt gerne Farben, an diesem Tag ein grünes Kleid und eine violette Tasche. Die Lehrerin erklärt: Je höher der Status, desto unbunter wirds.
Familie und Beruf – ist das möglich?
Für Samira Cizero (34) stellen sich derweil ganz andere Fragen: Wird sie, zu Beginn der Ausbildung schwanger, Familie und Beruf unter einen Hut bringen können? Mahnend wird Pitteloud eingeblendet: Die grösste Herausforderung sei es, das Gleichgewicht zwischen dem Diplomaten oder der Diplomatin und der Begleitperson zu finden.

Als Cizero in Kairo ihr über einjähriges Auslandspraktikum auf der schweizerischen Botschaft antritt, ist ihre Tochter kaum ein Jahr alt. Von ihrem ersten offiziellen Empfang müssen Cizero und ihr Mann früher als geplant aufbrechen – das Kind, zu Hause mit der Grossmutter, hört nicht auf zu weinen. Die Stimme aus dem Off beurteilt das als gescheiterten Start zurück ins Berufsleben. Unangemessen hart, dieser Kommentar.
Die Szene, wie Cizero vor der Botschaft per Telefon das richtige Taxi nach Hause ausfindig zu machen versucht, wird dann auch noch mit dramatischer Musik unterlegt, die Sequenz danach immer wieder im Vorspann zu jeder Folge gebracht. Ebenfalls unangemessen. Man meint, es handle sich um einen gefährlichen Zwischenfall, einen, den es in Kairo tatsächlich geben könnte.
Doch dazu, wie gefährlich oder strapaziös das eine oder andere Gastland für Angehörige des diplomatischen Corps sein kann, schweigt die Serie weitgehend.
Gehobener Standard
Lieber wird gezeigt, in was für Wohnungen die Stagiaires unterkommen. Bis auf jene von Cizero in Kairo edle Unterkünfte, die den lokalen Durchschnitt um ein Vielfaches übertreffen, in Ausstattung wie sicherlich auch im Preis. Auch hier fehlt der Kontext. Einerseits kann man den sehr hohen Lebensstandard von Diplomatinnen und Diplomaten kritisieren, andererseits ist er teilweise nötig, um überhaupt Sicherheit gewährleisten zu können und den nötigen Komfort, den es braucht, wenn man in Ländern arbeitet, wo es rundherum nicht überall fliessend Wasser und Strom gibt, dazu verschmutzte Luft, extreme Wetterverhältnisse und Verkehrschaos.
Denn die schweizerischen Botschaften erwarten viel. Die Stagiaires müssen leistungsfähig sein und es auch bleiben. Sie müssen verschiedene Dossiers betreuen, die Tage sind lang, offizielle Termine reichen bis in den späten Abend. Die Erschöpfung sieht man Délèze an, als er nach einem 13-stündigen Wahlbeobachtungseinsatz im Senegal noch zu einer Besprechung mit der Botschafterin fährt.
Als Ausgleich zur Arbeit spielt Alexander Schärer (32) im Stage in Burma am frühen Morgen Tennis. Gerade hat er einen politischen Bericht über eine nationalistische buddhistische Bewegung abgegeben. Das Land fasziniere ihn, sagt er. Man sieht, wie er durch die Strassen von Rangun schlendert, Kinder grüsst und sich einen lokalen Markt zeigen lässt.
Wie ist das Diplomatenleben wirklich?
Trotzdem: In den vier Folgen, in denen die Kamera die fünf Anwärterinnen und Anwärter begleitet, taucht man in die Welten, die sie umgeben, nie richtig ein. Man lernt die Frauen und Männer zwar kennen, hört, was sie motiviert. Ob sich ihre Ängste und Wünsche bewahrheiten beziehungsweise erfüllen, darüber erfährt man wenig.
Kein Wort fiel darüber, wie es ist, in Verhandlungen oder Konferenzen die offizielle Position der Schweiz vertreten zu müssen, die nicht den eigenen inneren Überzeugungen entspricht. Kein Wort darüber, wie frustrierend es sein kann, wenn Verhandlungen nicht vorankommen. Auch nichts dazu, wie schwierig es sein kann, Projekte der offiziellen Schweiz umzusetzen und am Laufen zu halten, allen lokalen Widrigkeiten wie etwa Korruption oder fehlender Infrastruktur zum Trotz.
Wie fühlt es sich an, in einer exklavenähnlichen Umgebung – schicke Wohnung, noch schickere Residenz mit Hausangestellten, gut ausgestattete Botschaft, eigener Fahrer, ausschweifende Empfänge, Partys und Wochenendausflüge – zu leben und zu arbeiten, inmitten bitterster Armut? Wann verlieren die Anwärter auch mal die Nerven, ganz undiplomatisch – schliesslich sind sie auch nur Menschen? Was motiviert sie dann, weiterzumachen?
Es scheint, als ob sich die Diplomatie, die sich gerne bekannter machen würde, es doch nicht kann. Zu undiplomatisch wären wohl kritische Äusserungen, die über Überlegungen zum Lebensstil, der für die Familie alle vier Jahre einen Umzug bedeutet, hinausgehen. Zu offen wären die Türen, deren Vorzüge in der Diplomatie oft darin bestehen, dass sie für viele geschlossen bleiben.
Ob die fünf Anwärterinnen und Anwärter die Abschlussprüfung bestehen, erfahren Sie am kommenden Donnerstag, 19. September um 21.05 Uhr auf SRF 1.
Hier können Sie die vier vergangenen Folgen sehen:«Die jungen Diplomaten»
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