Mamablog: Die Suche nach der SuperlehrkraftEin Vorstellungsgespräch vor Schülern?
In zwei Zürcher Schulen sollen Jugendliche bei der Rekrutierung neuer Lehrpersonen mitreden. Gastautor und Sekundarlehrer Patrick Hersiczky findet das unprofessionell.

«Schüler wählen Lehrer aus», das hat die NZZ am Sonntag kürzlich über die sogenannte Schülerpartizipation an Zürcher Schulen geschrieben. Gewiss ist dies überspitzt formuliert, zeigt aber klar, dass die Mitsprache von Schülerinnen und Schülern so zu weit geht: Hier wird nämlich ein heikler Rekrutierungsprozess beeinflusst, der ohnehin nicht von qualitativ guten Bewerbungen überschwemmt wird.
Aber der Reihe nach: Delegierte des Schülerparlaments der Sekundarschulen Neftenbach und Wädenswil sind nicht nur beim Vorstellungsgespräch dabei, sondern entscheiden sogar bei der Auswahl von Lehrpersonen mit. Dies ist vermeintlich echte Schülerpartizipation, weil Schulleitungen beziehungsweise Schulpflegen Lehrpersonen einstellen. Die Jugendlichen sind mit solch personalrechtlichen Aufgaben überfordert, selbst wenn sie die eigentlichen Bewerbungsunterlagen nicht einsehen dürfen.
Klar, ich hatte auch schon mit Schulleitungen zu tun, die bei einem Interview mit einer Bewerberin oder einem Bewerber überhaupt nicht vorbereitet waren. Wenn also bereits gewisse Erwachsene diesbezüglich inkompetent sind, wie sollen es dann Oberstufenschüler sein? Damit möchte ich nicht sagen, dass Jugendliche dies nicht können. Die meisten Jugendlichen sind diesbezüglich aber noch nicht reif genug. Bestimmt gibt es Schülerinnen und Schüler, die spannende und konstruktive Fragen stellen, aber das sind wahrscheinlich die Managerinnen und Manager von morgen – oder zukünftige Schulleitende.
Ein pädagogisches No-go
Als Lehrer ist dies für mich ein pädagogisches No-go: An einer solchen Schule würde ich mich weder bewerben, noch würde ich da unterrichten wollen. Doch nicht der Schülerinnen und Schüler wegen, sondern weil eine Schulleitung ein solch unprofessionelles Assessment überhaupt zulässt. Wer glaubt, so die Superlehrerin oder den Superlehrer zu finden, täuscht sich: Man degradiert dadurch Schulleitende zu Statisten, die sich vor einem wichtigen Personalentscheid drücken. Und hält vielleicht gute Kandidatinnen und Kandidaten davon ab, sich zu bewerben.
Ich plädiere dafür, den Schülerinnen und Schülern dort ein Mitspracherecht einzuräumen, wo sie das Schulhausleben mitgestalten können.
Auch Lehrpersonen sind bei einem Vorstellungsgespräch nervös. Da will man nicht noch einer Schülerdelegation gegenübersitzen, die möglicherweise den – überspitzt formuliert – chilligsten Pädagogen auswählt. Oder vielleicht auch den strengsten Pauker. Die Superlehrkraft, die allen Schülern gerecht wird, gibt es aber nicht: Was für einen Jugendlichen eine gute Lehrperson ist, ist für andere völlig ungeeignet.
Ausserdem durchlaufen Lehrpersonen im Kanton Zürich seit einigen Jahren eine fünfmonatige Probezeit, bevor es zu einer Festanstellung kommt. Bei meinem letzten Stellenwechsel habe ich diesen – wenn man so will – erweiterten Anstellungsprozess mit der Schulleitung als sehr wertschätzend und konstruktiv erlebt. Schulen sind also schon längst kein Ponyhof mehr für unkündbare Beamtinnen und Beamte. Während der Probezeit kommt es auch zu Entlassungen, wenn auch eher selten. Und auch Lehrpersonen haben die Möglichkeit, ihren Vertrag frühzeitig auflösen, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen. Der Arbeitsmarkt von Schulen funktioniert also auch ohne kritische Schülerfragen.
Scheindemokratische Mitsprache
Aber was soll Schülerpartizipation dann bewirken? In meiner bisherigen Lehrerkarriere habe ich schon einige motivierte Schülerparlamentarierinnen und -parlamentarier erlebt, die rauschende Schulhausfeste oder einen gut florierenden Pausenkiosk gewissenhaft organisiert haben. Leider gibt es auch Schülerorganisationen, deren Mitsprache von Scheindebatten geprägt ist. Oft diskutieren Lehrerinnen und Lehrer die Vorstösse der Schüler an Sitzungen pädagogisch in Grund und Boden oder schmettern diese gar kommentarlos ab. Dennoch: Heute prägen Jugendliche den Schulalltag mit, und das ist wichtig und richtig – aber bitte nicht mit scheindemokratischem Touch.
Ich plädiere dafür, den Schülerinnen und Schülern dort ein Mitspracherecht einzuräumen, wo sie kompetent sind und insbesondere das Schulhausleben mitgestalten können. Meiner Ansicht nach sind Jugendliche nämlich vor allem daran interessiert – und nicht an der pädagogischen Ausrichtung der Schule. Dementsprechend bietet für sie eine coole Schülerparty immer noch mehr Freude und sie stiftet mehr Identität mit der Schule als eine vermeintlich gelungene Einstellung einer Lehrkraft.
Wie sehen Sie das, liebe Leserinnen und Leser? Und was denkt ihr dazu, liebe Jugendliche? Wir sind gespannt auf Eure Kommentare und/oder Repliken.
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