«Ghadhafi sorgt für Chaos»
Der Islam-Experte Olivier Roy über die dunklen Mächte, die gegen eine Demokratisierung Tunesiens kämpfen, und die Harmlosigkeit der tunesischen Islamisten.
Das tunesische Regime fiel schnell – nach einer spontanen und kurzen Revolte. Dabei hatte man es für unerschütterlich gehalten. Wie erklären Sie sich das?Das Regime bestand zum Schluss fast nur noch aus einer einzigen mafiösen und räuberischen Familie. Es hatte keinen Draht zum Volk, keine Verbindung zur tunesischen Wirklichkeit. Man weiss zum Beispiel, dass auch viele hohe Funktionäre das Regime hassten. Die Herrscherfamilie konnte nicht teilen – das isolierte sie politisch und wirtschaftlich. Zudem misstraute das Regime immer schon der Armee und versuchte, sie klein zu halten – etwa 35'000 Soldaten mit knapper Bewaffnung und schlechtem Material. Als Zine al-Abidine Ben Ali dann mitten in der Revolte die Armee zu Hilfe rief, wollte und konnte sich die nicht für ihn wehren. Am Ende, und das war die wahre Überraschung, fiel dann auch die Präsidentengarde auseinander. Wahrscheinlich war ein Grossteil der Polizisten so schlecht bezahlt, dass viele von ihnen einfach gestreikt haben.