Giftspuren im Biolachs
In biologischen Zuchtfischen lässt sich ein verbotenes Pflanzenschutzmittel nachweisen. Die Grossverteiler Coop und Migros wissen von den möglichen Gefahren – und verkaufen weiter.

Biolebensmittel sollen gesund und nachhaltig sein. Viele schätzen auch die bessere Qualität der naturbelassenen Waren. Kein Wunder also, greifen Schweizerinnen und Schweizer kräftig zu. Heute legt sich mehr als die Hälfte aller Konsumenten mehrmals pro Woche Bioprodukte in den Einkaufswagen.
Doch die von ihnen so geschätzte Bioware ist leider nicht immer gut für die Gesundheit. Eine Gefahr liegt im Kühlregal der Schweizer Grossverteiler, und zwar im Fettgewebe von Zuchtfischen, und heisst Ethoxyquin. Dieses sogenannte Antioxidationsmittel wurde früher von der Landwirtschaft als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Die Substanz sorgte beispielsweise bei geernteten Äpfeln und Birnen dafür, dass die Schalenfäule nicht einsetzte. Sie machte auch diversen Pilzen und Sporen den Garaus. Vor sechs Jahren wurde Ethoxyquin in der EU die Zulassung als Pestizid entzogen. Auch in der Schweiz sind keine Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff mehr erlaubt.
Die giftige Chemikalie wurde auf den landwirtschaftlichen Feldern und Plantagen verboten, weil sie der Gesundheit von Mensch und Tier grossen Schaden zufügen kann. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit sind vor allem gewisse Zwischenprodukte von Ethoxyquin problematisch. Der Stoff kann direkt ins menschliche Gehirn gelangen und steht unter Verdacht, das Erbgut zu schädigen.
«Kunden werden getäuscht»
Ethoxyquin wird heute häufig Fischmehl beigemischt, mit welchem die Zuchtfische gefüttert werden. Damit wird verhindert, dass das Fischmehl zu schnell ranzig wird. Zudem verhindert Ethoxyquin beim Transport auf hoher See, dass sich das Fischmehl selber plötzlich spontan entzündet.
Was Zuchtfische wie Lachs, Wolfsbarsch, Forelle oder Dorade als Fischmehl gefüttert bekommen, landet so auf Umwegen auch in unseren Mägen. Tests zeigen immer wieder starke Ethoxyquin-Belastungen bei konventionell gezüchteten Raubfischen, die in der Schweiz zum Kauf angeboten werden. Eine Untersuchung des Konsumentenmagazins «Gesundheitstipp» ergab, dass Lachse aus Norwegen mit bis zu 671 Mikrogramm Pestizid pro Kilo verseucht waren.
Viele Konsumenten sind sich aber nicht bewusst, dass auch biologisch produzierte Fische das frühere Pflanzenschutzmittel enthalten. Die Untersuchung ergab, dass die Biolachse von Migros und Coop 10 beziehungsweise 17 Mikrogramm Ethoxyquin pro Kilogramm aufwiesen.
Auch Adrian Härri, Chef von Biolytix, einem Unternehmen, das molekularbiologische und mikrobiologische Analysen durchführt, weist das Gift in Biofischen immer wieder nach. «Wir hatten noch nie eine Probe, die kein Ethoxyquin enthielt», sagt Härri. Wer meint, dass der Bioräucherlachs beim Grossverteiler seines Vertrauens frei von Pestiziden ist, liegt falsch. «Eigentlich werden Konsumenten mit dem Biolabel getäuscht», sagt Härri.
Bei Futtermitteln für Biofische ist der Einsatz von Ethoxyquin verboten. Auch dürfen den Bioraubfischen keine konventionell gezüchteten Fische verfüttert werden. Laut Coop werden die konventionellen und die biologischen Futtermittel aber meist in den gleichen Futtermühlen produziert, was zu kontaminierten Biofischen führt. «Ein komplett getrenntes System für Biofutter ist technisch nicht immer vollständig umsetzbar», sagt Coop-Mediensprecher Ramón Gander.
Zum anderen werden Vitamine, welche auch für das Biofischfutter verwendet werden, mit Ethoxyquin länger haltbar gemacht. Laut der Migros sind die Hersteller von Vitaminmischungen von weltweit wenigen Anbietern abhängig. «Es ist festzuhalten, dass es sich um geringe Spuren handelt», sagt Migros-Sprecherin Martina Bosshard zum Antioxidationsmittel im Biolachs. Sowohl der konventionelle Zuchtlachs wie auch die biologische Variante davon könnten ohne Bedenken von Erwachsenen und Kindern konsumiert werden.
Laut der Co-Geschäftsleiterin des Vereins Fair-Fish, Susanne Hagen, hat das verbotene Pflanzenpestizid nichts im Fisch zu suchen. Grössere Mengen der Chemikalie erhöhten das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung, sagt die Biologin. Aber auch Spuren davon könnten gefährlich sein. «Ethoxyquin und seine Zusatzstoffe werden im Fettgewebe des Menschen, aber auch in der Muttermilch gespeichert. So kann die Gesamtmenge auch bei kleinen Dosen mit der Zeit beträchtlich anwachsen», sagt Hagen. Steige der Energiebedarf des Körpers, zum Beispiel in einer Schwangerschaft, würden Körperfette samt den darin enthaltenen Giftstoffen mobilisiert und gelangten in den Blutkreislauf. Ethoxyquin könne via Plazenta auch ins ungeborene Kind und dessen Gehirn gelangen, warnt Hagen.
Coop und Migros sind sich der Verunreinigung ihrer biologischen Premiummarken seit mehreren Jahren bewusst, haben aber nicht vor, den Verkauf zu stoppen. Die Grossverteiler berufen sich dabei auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Das Problem ist jedoch, dass im Gesetz nichts über einen Ethoxyquin-Grenzwert im Fisch steht. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit bestätigt, dass es in der Bioverordnung keine Vorgaben für Biofische gibt. Dies, weil Fischzuchten vom Geltungsbereich der Verordnung ausdrücklich ausgenommen sind.
Auch Lidl und Aldi können laut eigenen Angaben nicht zu 100 Prozent ausschliessen, dass sich in ihren Biolachsen Pestizide befinden. Die beiden Supermarktketten betonen aber, dass aktuelle eigene Tests zurzeit keine Ethoxyquin-Verseuchung bei den Biofischen zeigen würden.
Nulltoleranz kaum umsetzbar
Laut dem Dachverband Bio Suisse können auch in anderen Bioprodukten geringe Spuren unerwünschter Rückständen von Pestiziden, gentechnisch veränderten Organismen oder Umweltschadstoffen vorkommen. Die Nulltoleranz von nicht organischen Stoffen sei derzeit in der Praxis nicht umsetzbar, sagt Sprecher Lukas Inderfurth. «In 20 bis 30 Prozent der Proben von Biolebensmitteln sind Rückstände von Pestiziden nachweisbar. Alles, was in der konventionellen Landwirtschaft angewendet wird, findet sich als Rückstände im Spurenbereich auch in Bioprodukten.»
Auch wenn die Grossverteiler am Verkauf der belasteten Biofische festhalten und so möglicherweise ein Glaubwürdigkeitsproblem bei ihrem Toplabel riskieren, dürfte spätestens 2020 Schluss mit Ethoxyquin in Fischen sein. Anfang Juni wurde die Zulassung für das Pestizid in Futtermitteln von der EU formal aufgehoben. Die zuständige EU-Kommission möchte mehr Daten dazu erhalten, wie gefährlich das Antioxidans wirklich ist. Die Schweiz setzt diese Suspendierung im Zug der Verordnungsänderungen um. Der Bundesrat entscheidet im Herbst darüber.
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