Giger krönt makellose Saison
Der beste Schwinger des Jahres gewinnt auch das am besten besetzte Fest: Der erst 20-jährige Thurgauer Samuel Giger siegt auf der Schwägalp.

In der Mittagspause büxt ein Bub aus. Er lässt den Opa stehen und rennt schnurstracks in die Mitte der Arena, um sich mit einem Knirps im Sägemehl zu wälzen. Was witzig anzuschauen ist, hat Symbolcharakter: Die neue Schwingergeneration, sie hat das Zepter übernommen. Forsch und rücksichtslos geht sie vor, wobei genau diese Herangehensweise die jungen Wilden auszeichnet.
Auf der Schwägalp sind es vor der Rekordkulisse von 15'450 Zuschauern ein 21-Jähriger und vor allem ein 20-Jähriger, welche die Massen begeistern. Der eine ist Joel Wicki aus der Innerschweiz, Mister Angriff, der von Vorgeplänkel noch nie etwas gehört zu haben scheint. Den Schlussgang verpasst er, weil Kilian Wengers Rücken respektive Schultern nicht genug Sägemehl touchiert hatten im fünften Kampf – so jedenfalls sahen das die Kampfrichter.
Der andere ist Samuel Giger, Monsieur Vielseitigkeit, dem offenbar keine Grenzen gesetzt sind. Das Säntis-Massiv im Rücken, bodigt er erst den Felsen Christian Stucki, danach bezwingt er im Schlussgang Daniel Bösch. Seine Bilanz an Kranzfesten 2018 ist makellos: sechs Teilnahmen, sechs Triumphe, kein einziger verlorener Gang. «Besser gehts einfach nicht», lobt selbst der unterlegene Bösch. Man male sich aus, was möglich gewesen wäre, hätte Giger wegen einer bei der Arbeit erlittenen Handverletzung nicht anderthalb Monate lang pausieren müssen.
Keine Stärken am Mikrofon
Mit 20 hat der Thurgauer bereits 13 bedeutende Feste gewonnen. «Sämi hat das Potenzial, den Schwingsport über Jahre hinweg zu prägen», meint SRF-Experte Jörg Abderhalden. Seine Kraft ist beeindruckend, taktisch agiert er erstaunlich gewieft. Im Interview nach dem Triumph sagt er, dass er nicht wisse, was er denn sagen solle. Er spricht von Stolz und erwähnt die prächtige Kulisse, und rasch wird klar, dass seine Stärken im Sägemehl und nicht vor dem Mikrofon liegen.
Giger ist eine Ausnahme in der immer moderner werdenden Szene. Er hat keine Website, kümmert sich nicht um Social Media und gibt so gut wie nichts Persönliches preis. Er läuft ohne Sponsorenlogos durch die Arena; offenbar hat er einst gar einen Deal im tiefen sechsstelligen Bereich ausgeschlagen. Bis anhin hat Giger keine Verpflichtungen eingehen wollen, die Konzentration galt der mittlerweile abgeschlossenen Lehre als Zimmermann.
Neben dem attraktiven Schwingstil sind es seine Bescheidenheit und die Pflege von Werten und Traditionen, die beim Publikum Anklang finden – auf der Schwägalp sind ihm minutenlange Sprechchöre gewidmet. Giger, der derzeit die normale Rekrutenschule und nicht wie andere Spitzenschwinger die Sportler-RS absolviert, wird je länger, je mehr gar von Exponenten in der Berner Mannschaft als Favorit auf den Königstitel 2019 in Zug gehandelt.
Die neue Berner Rolle
Die Berner, sie sind die Geschlagenen. Ungeachtet dessen, dass Matthias Aeschbacher nach fünf Gängen punktgleich mit Bösch an Position 2 liegt, aber als Gast verständlicherweise nicht für den Schlussgang berücksichtigt wird. Gewann der jahrelang dominierende Teilverband vor dieser Saison 13 der letzten 15 Bergfeste, an denen er mit einer Delegation vertreten war, muss er sich 2018 mit dem Schwarzsee-Sieg von Stucki begnügen.
Es läuft nicht mehr alles rund und fast von alleine wie in der Vergangenheit, die Konkurrenz hat aufgeholt – und weitere gewichtige Rücktritte nach Matthias Sempach sind mittelfristig nicht auszuschliessen. Teamchef Peter Schmutz sagt, mit seiner Mannschaft sei nach wie vor an jedem Fest zu rechnen. Aber er weiss auch: «Wir werden künftig wohl eine etwas andere Rolle spielen.»
Davon mag Christian Stucki nichts wissen. Auf rund 1300 Metern über Meer will er eine der letzten Lücken im beeindruckenden Palmarès schliessen, muss sich jedoch mit Platz 4 begnügen. Er verliert reichlich Energie am Morgen, und mit Verlaub: Er steht nicht im Verdacht, ein Duracell-Hase zu sein. Er wird einen neuen Anlauf nehmen; zumindest er will nichts wissen vom Rücktritt: «Ich muss mich doch bewegen, sonst wird der Bauch zu gross.» Der neuen Generation wird er nicht ohne weiteres Platz machen.
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