Gössis einsame Klimawende verärgert FDP-Politiker
Die Präsidentin will die FDP zur Klimaschützer-Partei machen. Nur: Sie hat die folgenreiche Kurskorrektur intern kaum abgestützt.

Christian Wasserfallen ist ein Profi. Seit 15 Jahren macht er Politik, stieg auf von einer Berner Schulkommission bis zum Vizepräsidenten der FDP Schweiz. Das schafft nur, wer belastbar ist, ruhig und überlegt.
Als der Berner Nationalrat aber am Samstag die Zeitung aufschlug, wurde er von einer Wut übermannt. Wasserfallen tat, was Experten in solchen Situationen nicht empfehlen. Er ging auf die sozialen Medien.
In einem seitenfüllenden Interview mit dieser Zeitung vollzog FDP-Präsidentin Petra Gössi am Samstag eine erstaunliche klimapolitische Kehrtwende. Mitte Dezember hatte der Freisinn eine Flugticketabgabe und ein Inlandziel für die CO2-Reduktion abgelehnt und damit das Scheitern des CO2-Gesetzes im Nationalrat mitverursacht. Jetzt, zwei Monate später und unter immer stärkerem öffentlichem Druck, erklärte die FDP-Präsidentin, ihre Partei wolle das CO2-Gesetz retten. Die FDP biete Hand für ein Inlandziel und sei auch nicht gegen eine Flugticketabgabe. Zudem würden alle 120'000 FDP-Mitglieder in den nächsten Wochen über ihre Ziele in der Umweltpolitik befragt.
Nur engsten Kreis informiert
«Was man alles aus der Zeitung erfährt», twitterte Wasserfallen nach der Lektüre von Gössis Interview. Er unterstütze die «wirkungslose Flugticketabgabe» nicht. Man solle «im Wahljahr kühlen Kopf» bewahren.
Viele andere hochrangige Freisinnige dürften ebenso überrascht gewesen sein. Mehrere Parteikader bestätigen, dass Petra Gössi ihre Klimawende parteiintern nur im engsten Kreis abgestimmt hat. Lediglich Fraktionspräsident Beat Walti und das Generalsekretariat der Partei sollen eingeweiht gewesen sein. Die sechs Vizepräsidenten, der Parteivorstand und auch die für das CO2-Gesetz zuständigen Kommissionspolitiker wurden im Dunkeln gelassen.
Bei der politischen Konkurrenz fielen die Reaktionen auf Gössis Kurswechsel sehr bunt aus. SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi warf Gössi vor, sich «im Wahlkampfmodus» bei der Linken anzubiedern. «Druck hilft», jubelte derweil Grünen-Präsidentin Regula Rytz. SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann warf ein, dass leider erst nach den Wahlen ersichtlich sei, welchen Wert Gössis Versprechen habe.
«Wir sollten auf den liberalen, faktenbasierten Weg vertrauen.»
Innerhalb der FDP ist die Stimmungslage unübersichtlich. Aus den Kantonalparteien erhält Gössi teilweise Lob. Doch auf Bundesebene rumort es. Christian Wasserfallen will seinem Tweet zwar nichts mehr hinzufügen. Viele andere Fraktionsmitglieder halten aber am bisherigen Klimakurs der FDP fest.
Einer von ihnen ist Thierry Burkart. Er unterstütze Massnahmen, die dem Klima wirklich helfen, sagt der Nationalrat. Schon bisher habe die Partei sich für effektive Instrumente eingesetzt, etwa bei der Weiterführung des Gebäudeprogramms. Die Flugticketabgabe und ein Inlandziel lehne er aber weiter ab. «Diese Massnahmen sind Symbolpolitik.»
Beat Walti versucht parteiintern zu schlichten
Praktisch identisch äussert sich Nationalrat Bruno Pezzatti: «Wir sollten auf den liberalen, faktenbasierten Weg vertrauen.» Pezzatti greift zudem Ständerat Ruedi Noser an. Leider seien jüngst auch Parteimitglieder dem Komitee der Gletscherinitiative beigetreten, das mit einer unliberalen Verbotskultur operiere, so Pezzatti. «Eine solche, wahrscheinlich eher wahltaktisch motivierte Kehrtwende kann ich nicht nachvollziehen.»
FDP-Fraktionspräsident Beat Walti versucht derweil, parteiintern zu schlichten. Gössis mediale Intervention begrüsse er. «Bisher ist es uns nämlich nicht gelungen, uns aus der Ecke zu befreien, in die man uns nach der Wintersession zu Unrecht gestellt hat.» Die FDP stehe zu den Pariser Klimazielen, und man habe immer damit gerechnet, dass nach der Beratung im Ständerat im CO2-Gesetz noch Differenzen diskutiert werden müssten. «Ich sehe da keine Kehrtwende.»
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