«Google ist heuchlerisch»
In der neuesten Version filtert Googles Browser lästige Werbung aus. Das finden nicht alle gut.

Google hat seinen Chrome-Browser mit einem Werbeblocker ausgestattet. Die neue Version wird seit letzter Woche durch die Update-Funktion automatisch installiert. Da Google selbst der grösste Werbevermittler ist, funktioniert diese neue Funktion jedoch nicht so wie klassische Werbefilter: Sie eliminiert Banner nicht generell, sondern nur dann, wenn sie als «inakzeptabel» taxiert wurden.
Unerwünschte Werbeformen sind Pop-ups, die den Text überlagern, automatisch startende Videos mit Sound, vorgeschaltete Anzeigen mit Countdown, blinkende Animationen und grosse Werbebereiche, die beim Scrollen unbeweglich bleiben. Die Vorgaben, was zumutbar ist und was nicht, wurden von der Coalition for Better Ads ausgearbeitet. Zu dieser Koalition gehören nebst Google auch Facebook, Microsoft und andere Grössen der Werbebranche.
Eine Disziplinierungsmassnahme
Es geht Google und der Coalition for Better Ads effektiv darum, die Akzeptanz der Werbung im Netz zu erhöhen und die Nutzer davon abzuhalten, eine Browser-Erweiterung zu installieren, die gar keine Banner mehr durchlässt. Und ein offensichtliches Ziel ist auch die Disziplinierung der Webseiten-Betreiber: Wenn auf einer Website eine nicht akzeptable Werbeform identifiziert wurde, blockiert Chrome nicht nur diese, sondern sämtliche Banner. Da Googles Browser einen Marktanteil von 60 Prozent hat, bedeutet das beträchtliche Einnahmeausfälle.
Samuel Leiser von Google Schweiz teilt auf Anfrage mit, dass der Werbeblocker auch in der Schweiz aktiv ist, und zwar nicht nur bei Windows und Mac, sondern auch bei Android, Linux und Chrome OS, aber nicht bei iPhone/iPad.
Eindrückliche Drohkulisse
Google hat eine eindrückliche Drohkulisse aufgebaut, die Wirkung zeigte, noch bevor der Werbeblocker seine Arbeit überhaupt aufgenommen hat. Wired.com zitiert einen Google-Mediensprecher, der sagt, viele betroffene Sites hätten präventiv Änderungen vorgenommen, namentlich «Forbes», die «Los Angeles Times» und «Chicago Tribune». Generell seien von den 100'000 beliebtesten Websites in Nordamerika und Europa weniger als ein Prozent betroffen, liess Google ausrichten.
Davon lassen sich nicht alle beschwichtigen: Nick Nguyen ist Produktchef bei der Mozilla-Stiftung, die den Firefox-Browser entwickelt. Er schreibt im Firmenblog, der Ansatz der Coalition for Better Ads greife zu kurz: «Der Werbeblocker von Chrome tut nichts gegen die unsichtbaren Tracker, die mit den Standards konform gehen.» Diese Tracker sammeln Daten über die Aktivitäten der Webnutzer und machen sie den Werbetreibenden und deren Partnern zugänglich.
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Das ist für viele Webnutzer Grund genug, einen Werbeblocker eines Drittherstellers einzusetzen, der auch die Tracker lahmlegt. Auch Firefox wirbt mit dem kürzlich eingeführten «Schutz vor Aktivitätenverfolgung». Er filtert jene Module aus, mit denen gerade Facebook und Google unsere Surfspuren quer durchs Netz nachverfolgen.
«Einige Tiere sind gleicher als die anderen»
Ein Kommentator der Zeitung «The Hill» kritisiert Googles Initiative aus einem zweiten Grund als «heuchlerisch»: Über Jahre habe Google die Netzneutralität aktiv unterstützt. Das ist die Forderung, dass Internetprovider keine Inhalte im Netz blockieren oder benachteiligen dürfen. «Und jetzt macht Google genau das, was das Unternehmen bis vor kurzem zu den schlimmstmöglichen Sünden gezählt hat.» Wie schon George Orwell in «Animal Farm» geschrieben hat, seien einige Tiere eben gleicher als die anderen. «Das beschreibt Googles Problem ganz gut», schreibt «The Hill».
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