Gorbatschow warnt Putin vor einer Diktatur
Nach ersten Urteilen gegen NGO in Russland übt Michail Gorbatschow harsche Kritik an Präsident Wladimir Putin. Der Mann, der die Sowjet-Diktatur beendete, fordert eine «neue Perestroika».

Nach international kritisierten Razzien haben russische Behörden nach Angaben von Anwälten erstmals Geldstrafen gegen nichtstaatliche russische Organisationen (NGO) verhängt. NGO aus dem südrussischen Gebiet Rostow am Don müssten umgerechnet bis zu 15'000 Franken wegen Verstosses gegen die Feuerschutzvorschriften zahlen, schrieb Pawel Tschikow von der Moskauer Anwaltsvereinigung Agora heute Montag im Kurznachrichtendienst Twitter.
Beamte von Steuerpolizei, Staatsanwaltschaft und Justizministerium hatten in den vergangenen zwei Wochen landesweit mehr als 100 NGO überprüft. Präsident Wladimir Putin hatte die Kontrollen als «Routine» bezeichnet.
Scharfe Kritik von Gorbatschow
Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow griff den Kreml scharf an. «Wladimir Putin und andere, die meinen, dass es ein Zurück zu alten Methoden gibt, Angst einzujagen und durch Angst zu regieren, müssen verstehen: Das wird nicht funktionieren», sagte der frühere Präsident der Sowjetunion.
«Wer eine Diktatur will, soll dorthin gehen, wo es schon eine Diktatur gibt», sagte Gorbatschow. Er forderte zudem eine «neue Perestroika» (Umgestaltung). Nötig sei ein neues Regierungssystem. Das lehnte der Sprecher von Kreml-Chef Putin, Dmitri Peskow, ab. «Wir hatten schon zu viele Umgestaltungen», sagte Peskow.
«Demokratie wird sich durchsetzen»
Bereits am Samstag hatte der Gorbatschow Wladimir Putin vor der dauerhaften Blockade demokratischer Reformen gewarnt. «Den Behörden ist es für eine gewisse Zeit gelungen, die Welle des Protestes zu unterdrücken. Aber die Probleme sind nicht verschwunden. Wenn alles so bleibt wie zuvor, wird die Lage eskalieren», wurde der 82-Jährige von der Agentur RIA mit Aussagen bei einer Lesung zitiert. Es werde einen neuen Versuch der russischen Gesellschaft geben, wirkliche Demokratie zu erlangen.
Ein Moskauer Gericht verlängerte unterdessen den umstrittenen Hausarrest für Sergej Udalzow, einen der Oppositionsführer, bis zum 6. August. Der Aktivist der Linken Front darf weder telefonieren noch Besuch empfangen. Die Justiz wirft Udalzow die Anstiftung blutiger Massenunruhen vor.
Agenten-Gesetz
Im vergangenen Jahr war ein neues Gesetz in Kraft getreten, nach dem sich Organisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland in ein Register «ausländischer Agenten» eintragen müssen. Der Begriff «ausländische Agenten» ist seit der stalinistischen Ära vorbelastet. Damals wurden «ausländische Agenten» häufig erschossen oder in Arbeitslager geschickt. In der Zeit des Kalten Krieges wurden Oppositionelle als ausländische Agenten bezeichnet.
Wenn leitende Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen die Einschreibung in das Register ablehnen, müssen sie mit bis zu zwei Jahren Lagerhaft rechnen. Anfang Februar protestierten zehn NGO beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Neuregelung, weil diese gegen die russische Verfassung verstosse und völkerrechtlich unzulässig sei.
SDA/rub
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