Grace Jones: Die Alterslose ist zurück auf dem Dancefloor
Die Frau, das raubtierhafte Luxusobjekt: Grace Jones, die in den 80ern die Männer und Feministinnen gleichermassen erschreckte, ist mit dem neuen Album «Hurricane» zurück.
18 Jahre sind seit ihrem letzten Album vergangen. Aber eigentlich kann man noch mal 10 drauflegen, misst man die Spanne zwischen der neuen CD «Hurricane» und der Phase, in der Grace Jones wirklich bedeutend war. Damals nämlich, 1980 und 81, stellte sie auf den Alben «Warm Leatherette » und «Nightclubbing» einen der konsequentesten und schillerndsten Identitätsentwürfe des daran nicht gerade armen Post-Punk zur Diskussion.
Grace Jones gab eine schneidend coole Amazone, der Körper kantig, hochgewachsen und hager, die Wangenknochen so ausladend wie die Schultern, die emblematische Brikettfrisur wie festgeschweisst. Sie raunte mit einer dunklen, sinnlichen und doch distanzierten Stimme, war lasziv, melancholisch und bedrohlich. «Feeling like a woman, looking like a man, sounding like a no-no», hiess das in «Walking in the Rain».
Dabei wirkte sie immer ein wenig, als halte sie gerade noch ein lautes Lachen über die eigene Inszenierung zurück. Das wäre aber wohl nicht weniger selbstbewusst und männerschreckend gewesen als die Bilder, für die sie sich – als schwarze Frau doppelt unkorrekt – zum raubtierhaften Luxusobjekt stilisierte. Womit sie schon 1978 den Zorn von Feministinnen wie Alice Schwarzer und Inge Meysel auf sich gezogen hatte, die damals gegen eine Fotografie von Helmut Newton klagten, auf der Jones in Ketten zu sehen war.
Menschen fressen Schwarzweiss
verzerren und sieht wie ein bizarrer Heuschreckenhybride aus; eine gültige Assoziation, raunt sie im Song doch vom menschenfressenden, globalisierten Kapitalismus. Ihr Discofuturismus scheint noch kühler und lauernder in Gefühlsstarre zu verharren als einst. Das Gemisch aus Funk, Synthpop und Reggae passt gerade wieder gut in die Zeit – und klingt digitalisiert so, wie es wohl schon früher gedacht war.
Der Rückgriff auf stimmungsvolle DubBässe brachte der gebürtigen Jamaicanerin Ende der 70er-Jahre nach drei Discoalben den Durchbruch. Verantwortlich dafür waren vor allem Sly Dunbar und Robbie Shakespeare, die später zu den umtriebigsten Produzenten der 80er gehören sollten. Beide sind nun auch auf «Hurricane » wieder dabei – zusammen mit Meistern dunkler Beats wie Afrobeat-Drummer Tony Allen, Brian Eno und Tricky.
«Hurricane» klingt unaufdringlich entstaubt, elegant und kühl und lebt wie früher vom, wie Jones es nennt, «dicken Hintern» aus Bässen und Drums. Aber es ist immer noch die besondere Aura der Künstlerin selber, die ihre Musik dominiert. Die sie einst, schon als Model erfolgreich, erfand, indem sie ihre ohnehin auffällige Erscheinung fast comicartig und artifiziell zuspitzte. Verfremdung und Verzerrung waren seit je die wichtigste Strategie der gelernten Schauspielerin. Doch sie begünstigten auch die Pannen, die sie auf dem kommerziellen Höhepunkt ihrer Karriere in den 80ern wie ihre eigene Karikatur wirken liessen: Grace Jones spielte fauchende Amazonen in Bond- und Conan-Filmen und produzierte zwei Alben, die sie aus Qualitätsgründen nicht veröffentlichte.
Mutter im Backgroundchor
Umso erfreulicher, wie streng und klar konzipiert ihr Comeback jetzt wirkt. Zugänglicher ist sie nicht geworden, auch wenn sie ihre tiefreligiöse Mutter in einem Stück in den Backgroundchor holt. So unwahrscheinlich alterslos wie die angeblich 60-Jährige aussieht, so zeitund raumenthoben hört sich auch ihre Stimme an, die sich wie flüssiges Chrom den Weg durch die tribalistischen Trommeln, düsteren Synthieschlaufen und dunklen, dunklen Bässe bahnt. Aus den Ecken sägt gelegentlich eine Gitarre, ein Piano tropft sanft, und ein Gospelchor deutet durch geisterhafte Dub-Schlieren grössere Gefühle an.
Grace Jones schafft eine seltsam explizite Zwischenwelt, durch die ein gleichzeitig trauriger und ironischer AndroidenSoul weht. Der lässt uns selbst da nicht näherkommen, wo er von Familienerinnerungen und mütterlichen Tränen träumt.
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