Grosse Rohre und starke PS
Ein Zürcher Gericht hat einen von drei britischen Cannonball-Rasern verurteilt. Die kurze Geschichte von Gentleman-Racern und Luxusrennen.
Das Bezirksgericht Affoltern ZH hat einen 41-jährigen Briten zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt. Die Polizei hatte den Hobbyrennfahrer und zwei weitere Kollegen am Pfingstmontag 2017 auf der A 4 erwischt: Die drei waren mit fast 180 Kilometern pro Stunde über die Autobahn gebraust. Die Briten hatten an Cannonball Run Europe teilgenommen. Zeit für eine kleine Kulturgeschichte des Rasens:
19 km/h
So schnell fährt Jules-Albert de Dion 1894 im Rennen Paris–Rouen mit seinem Dampfauto. Das Wettrennen gilt als erstes der Geschichte. In den Jahren darauf ziehen Millionäre und Auto-Enthusiasten wie «New York Herald»-Besitzer James Gordon Bennett Jr nach und organisieren in Amerika und Europa zahlreiche Ort-zu-Ort-Autorennen.
«Grosse Rohre»
«Die Welt ist um eine Schönheit reicher: die Schönheit der Geschwindigkeit», schreibt 1909 der italienische Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti in seinem futuristischen Manifest. «Ein Rennwagen, dessen Karosserie grosse Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen … ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.» Bald darauf dreht sich das Schaffen zahlreicher futuristischer Autoren und Maler um Maschinen und Stromlinienformen.
4 Minuten
Mit diesem Vorsprung gewinnt der Lebemann und Hobbyrennfahrer Wolf Barnato 1930 eine Wette. Barnato behauptete, er schaffe es mit seinem Bentley von der Côte d'Azur bis zum Gentleman's Club in London, bevor der Luxuszug «Le Train Bleu» in Calais ankomme. In den Monaten zuvor war es unter Auto-Enthusiasten trendy geworden, gegen den Expresszug anzutreten. Vor Barnato schlugen zwei Automobilisten den «Train Bleu» auf der Strecke von Calais an die französische Riviera. Mehr als 70 Jahre später lässt sich die BBC-Autosendung «Top Gear» von Barnato inspirieren: Jeremy Clarkson tritt mit einem Aston Martin gegen den TGV an.
1 Busse
… bekommt Dan Gurney, als er 1972 mit einem Ferrari Daytona den zweiten von fünf originalen Cannonball Runs gewinnt. Gurney absolviert die 4608 Kilometer von New York City zum Portofino Inn in Redondo Beach, Kalifornien, in 32 Stunden und 51 Minuten. Die Idee für das illegale Rennen stammte vom Auto-Journalisten Brock Yates. Die Cannonball Runs inspirierten eine Reihe von offiziellen und inoffiziellen Filmen, etwa «The Gumball Rally» oder «The Cannonball Run».
150 Millionen
So viele Spiele der Gamereihe «Need for Speed» wurden schätzungsweise seit 1994 verkauft. Das Autorennspiel knüpfte damals an eine lange Tradition von Arcade-Games an, baute jedoch zum ersten Mal real existierende Autotypen und deren Fahrverhalten ein.
900 Pferdestärken …
… hat der Dodge Charger, den «The Fast and the Furious»-Protagonist Dominic Toretto (Vin Diesel) mit seinem Vater baute. Mit der Story um den Kopf einer Strassenrennen-Gang nimmt die beliebte Filmreihe 2001 ihren Anfang; dieses Jahr erschien der achte Teil.
127'000 Franken …
… kostet der Nissan GTR in etwa, mit dem der heute verurteilte Brite am diesjährigen Cannonball Run Europe unterwegs war. 2002 findet das Rennen erstmals statt. Vorbild sind die illegalen US-Rennen der 70er. Die Route ist jeweils geheim, Teilnehmer sind vorwiegend Besitzer teurer Sportwagen. Sie geniessen ihre Luxus-Roadtrips, während sich Europas Polizeikorps über die Geschwindigkeitsexzesse ärgern. Oder wie es ein französischer Polizeioffizier sagte: «Unsere Strassen sind keine Spielplätze für verzogene und egoistische Straftäter.» Kurz danach verwies er zwei Cannonball-Fahrer mit ihren Bentleys des Landes.
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