Guantanamo light
Barack Obama kündigte bei seinem Amtsantritt an, er werde das Gefangenenlager Guantanamo innerhalb eines Jahres schliessen – die Erfüllung dieses Versprechens ist schwieriger als geplant.
Normalerweise richten sich solche parlamentarische Machtdemonstrationen nicht an die Adresse von Parteikollegen: Am Donnerstag jedoch sandte ein demokratisch dominierter Senatsausschuss dem demokratischen Bewohner des Weissen Hauses eine klare Botschaft: Die Finanzkommission genehmigte die von Präsident Barack Obama verlangten 80 Millionen Dollar zur Schliessung des Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba nur mit der Auflage, dass keiner der 240 Insassen in ein Gefängnis auf amerikanischem Boden überstellt wird.Folter-Beweise nicht statthaftSchon vor diesem Entscheid muss es dem Präsidenten gedämmert haben, dass er bei der Erfüllung seines Wahlkampfversprechens auf grössere Hindernisse als erwartet stossen würde. Deshalb gab die Regierung gestern bekannt, dass sie die seit rund vier Monaten suspendierten Militärtribunale wieder aufnehmen werde. Gemäss Angaben amerikanischer Medien sollen von diesem Entscheid weniger als 20 der 240 mutmasslichen Terroristen betroffen sein. Auch wurde umgehend versichert, dass die betroffenen Häftlinge zusätzliche Rechtsmittel erhalten sollen. So würde es der Anklage untersagt, Beweise vor dem Militärgericht vorzubringen, die mithilfe von Folter oder «harschen Verhörtechniken» gewonnen wurden. Auch sollen die Angeschuldigten, deren Namen vorerst nicht bekannt wurden, mittels eines präsidialen Dekrets in den Genuss einer handlungsfähigeren Verteidigung kommen. Bisher wurde gegen 16 Guantanamo-Häftlinge Anklage erhoben; drei Terroristen wurden verurteilt.
Strategie: Wind aus den Segeln nehmen
Das Weisse Haus versucht also, den Kritikern der Militärverfahren den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bürgerrechtsorganisationen und linke Politiker sind der Meinung, die Prozesse – die seit 2006 zu drei Verurteilungen führten – seien eine Farce und eine Schande für den amerikanischen Rechtsstaat. Und konservative Kreise finden, die neue Regierung behandle die mutmasslichen Terroristen zu nachsichtig und gefährde damit letztlich die Sicherheit der amerikanischen Bevölkerung.Es ist allerdings offen, ob Obama seine Kritiker lange ruhig stellen kann. Umgehend sagte ein Vertreter der Bürgerrechtsgruppe ACLU: «Es ist eine Enttäuschung, dass Obama dieses fehlgeschlagene Experiment wieder aufleben lässt.» Ausserdem ist nach wie vor unklar, wie der Präsident sein Versprechen, Guantanamo innerhalb eines Jahres zu schliessen, erfüllen will. Die Regierung sagt, sie wolle den grössten Teil der Guantanamo-Gefangenen in ihre Heimatländer zurückschaffen oder europäische Staaten dazu bringen, sie aufzunehmen. Auch mit Deutschland oder der Schweiz sollen diesbezüglich Gespräche laufen, ohne dass es beispielsweise in den Verhandlungen über das Schicksal von 17 chinesischen Muslimen bereits zu einem Durchbruch gekommen ist.Die gefährlichsten Insassen hingegen – bekennende Terroristen wie der 9/11-Drahtzieher Khalid Sheikh Mohammed – sollen auf Zusehen hin festgehalten werden, notfalls ohne Prozess, wie Justizminister Eric Holder sagte. Dies soll allerdings nicht auf Kuba geschehen, weil Guantanamo ein Symbol für die Exzesse des von Präsident George W. Bush ausgerufenen «Kriegs gegen den Terror» ist. «Keine Killer in Amerika» Verteidigungsminister Bob Gates liess jüngst durchblicken, dass er auf der Suche nach einem alternativen Standort sei. Er mache sich aber keine Illusionen über die Unpopularität dieses Vorhabens. So sagte der republikanische Fraktionsführer im Senat, Mitch McConnell: «Vor zwei Jahren entschied der Senat mit 94 zu 3 Stimmen, dass diese Killer nicht nach Amerika geschickt werden dürfen.» Tatsächlich graust es nicht nur republikanischen Politikern vor dem Gedanken, dass in ihrem Wahlkreis einige Dutzend skrupellose Verbrecher inhaftiert sein könnten. Auch Demokraten kritisieren die angebliche Planlosigkeit, mit der die Regierung vorgehe. Sie teilen die Meinung von Bürgerrechtsgruppen, die finden, dass den Angeschuldigten vor einem zivilen Gericht der Prozess gemacht werden soll.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch