Gurlitt-Bild wird nach Tokio verkauft
Das Kunstmuseum Bern verkauft ein Filetstück seines Gurlitt-Erbes. Damit sollen Kosten gedeckt werden, die bei der Untersuchung des Gurlitt-Nachlasses aufgelaufen sind.

Das Kunstmuseum Bern verkauft aus seinem Gurlitt-Erbe das herausragende Bild von Edouard Manet mit dem Titel «Marine, temps d'orage» aus dem Jahr 1873. Bei der Käuferin des Werks handelt es sich um das National Museum of Western Art in Tokio, das für den Manet 4 Millionen Dollar zahlt. Es handelt sich um den ersten Verkauf aus der 1500 Objekte umfassenden Sammlung von Hildebrand Gurlitt, die sein Sohn Cornelius 2014 dem Kunstmuseum Bern als Alleinerbe vermacht hat.
Zu dem mindestens für die Schweizer Museumslandschaft beispiellosen Schritt sagt die Direktorin des Berner Museums, Nina Zimmer, gegenüber der «Financial Times», die den Verkauf am Donnerstag erstmals publik machte: «Es ist ganz klar, dass es zu den schwierigsten Entscheidungen einer Direktorin gehört, wenn man ein Werk veräussern muss. Aber wir hatten viele Ausgaben beim Umgang mit dem Gurlitt-Nachlass, die man kaum bezahlen kann als kleines Museum.»
Das Bild geht nach Japan
Der Verkauf nach Japan erscheint insofern als sinnvoll, als der Manet einst dem japanischen Industriellen Köjiro Matsukata gehört hat, dessen Kollektion westlicher Kunst die Basis des Nationalmuseums in Tokio war. Matsukato verkaufte das Bild 1942 an Gurlitt, weil er sich aus politischen und finanziellen Gründen von seiner damals in Paris deponierten Sammlung trennen wollte.
Die Summe von 4 Millionen Dollar ergab sich bei einer unabhängigen Bewertung des Bildes.
Beim Manet handelt es sich um eines jener Bilder der Gurlitt-Sammlung, die von den Provenienzforschern als «grün» bezeichnet worden sind, was heisst, dass es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht um Raubkunst handelt. Die Summe von 4 Millionen Dollar ergab sich bei einer unabhängigen Bewertung des Bildes. Der Erlös des Verkaufs soll ziemlich genau die Kosten decken, die bei der Untersuchung des Gurlitt-Nachlasses bisher aufgelaufen sind. Das gab das Museum gestern bekannt. Wenn noch Geld übrig bleibe, soll es der künftigen Erforschung des Gurlitt-Nachlasses zugute kommen.
Marcel Brühlhart, Mitglied des Stiftungsrats des Museums, beteuert, dass das Museum aus dem Gurlitt-Erbe nie und nimmer einen finanziellen Profit erwirtschaften wolle. Er betont aber auch, dass das Museum auch kein Defizit tragen könne, das ihm aus dem Gurlitt-Projekt entstehe.
Gurlitt hat Debatte verändert
Zimmer gibt in diesem Zusammenhang ihrer Freude darüber Ausdruck, dass der Verwaltungsrat des Museums das Gurlitt-Erbe angenommen habe. Der Fall Gurlitt habe in der Schweiz das Klima und die Diskussion über die Herkunft von Kunstwerken nachhaltig verändert, ist sie überzeugt. Und in der Tat, der «verfolgungsbedingte Entzug» ist inzwischen auch in der Schweiz zu einer zentralen Kategorie bei der Debatte um die Restitution von Kunstwerken geworden, auch wenn das bei weitem nicht allen Museen und privaten Sammlern gefällt.
Trotz der vielen Gründe, die Verwaltungsrat und Direktion des Kunstmuseums Bern in ihrer Pressemitteilung sich aufzuführen bemühen, verliert das Museum mit dem Verkauf eines der besten Gemälde aus der an Spitzenwerken nicht gerade überreichen Gurlitt-Sammlung. Das mindert den künstlerischen Wert der Restsammlung empfindlich, deren Übernahme dem Kunstmuseum Bern zwar viel Public Relations gebracht hat, aber eben auch viel Forschungsaufwand und Anwaltskosten.
Vor diesem Hintergrund wäre es deshalb wünschbar gewesen, wenn das Kunstmuseum Bern seine Kosten für die Aufarbeitung der Sammlung mit privaten oder staatlichen Mitteln hätte decken können und nicht mit dem Verkauf von Bildern. Darauf angesprochen, sagt Nina Zimmer, dass sie hoffe, dass es sich um den ersten und letzten Verkauf aus der Sammlung handle. Sie könne das aber nicht mit absoluter Sicherheit sagen, da möglicherweise noch weitere, schwer zu kalkulierende Kosten auf das Museum zukämen.
Vielleicht nicht der letzte Verkauf
Sie wird damit wohl die Anwaltskosten von Hannes Hartung gemeint haben, der Cornelius Gurlitt vertreten hat und seine Forderungen nun vom Kunstmuseum Bern als dessen Erbe bezahlt haben möchte. Die Sache liegt noch unentschieden vor einem Münchner Gericht. Je nachdem, wie sie ausgeht, wird dann noch ein Bilderverkauf nötig werden.
«Die Gegenstände der Sammlungen der Museen sind unveräusserlich.»
Der Verkauf aus der eigenen Sammlung ist in der Schweiz im Gegensatz zu den USA oder Grossbritannien alles andere als üblich. Im Basler Museumsgesetz steht beispielsweise: «Die Gegenstände der Sammlungen der Museen sind unveräusserlich. Über Ausnahmen entscheidet der Regierungsrat auf gemeinsamen Antrag der betreffenden Museumsdirektion, der betreffenden Museumskommission und des Rektorats der Universität.» Der letzte Verkauf aus dem Basler Kunstmuseum geschah unter Direktor Georg Schmidt (1896–1965), der Werke aus der Sammlung Raoul La Roche veräusserte.
Auch in den ethischen Richtlinien des Vereins der Museen der Schweiz (Icom) werden Verkäufe nicht partout ausgeschlossen. Es wird nur festgehalten: «Museumssammlungen werden für die Öffentlichkeit treuhänderisch verwaltet und dürfen nicht als Aktivvermögen behandelt werden. Gelder oder Ersatzleistungen, die durch Aussonderung und Veräusserung von Objekten oder Exemplaren aus einer Museumssammlung erlangt wurden, sind ausschliesslich zum Nutzen der Sammlung – im Regelfall für Neuerwerbungen eben dieser – zu verwenden.»
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